Als Buch bei Amazon

Martin Luther

Etliche Fabeln aus Esopo verdeudscht /

sampt einer schönen Vorrede / von rechtem

Nutz vnd Brauch desselben Buchs /

jedermann wes Standes er auch

ist / lüstig vnd dienslich

zu lesen

Dis Buch von den Fabeln oder Merlin / ist ein hochberümbt Buch gewesen / bey den allergelertesten auff Erden / sonderlich vnter den Heiden. Wiewol auch noch jtzund die Warheit zu sagen / von eusserlichem Leben in der Welt / zu reden / wüsste ich ausser der heiligen Schrifft / nicht viel Bücher / die diesem vberlegen sein solten / so man Nutz / Kunst vnd Weisheit / vnd nicht hochbedechtig Geschrey wolt ansehen / Denn man darin vnter schlechten Worten / vnd einfeltigen Fabeln / die allerfeineste Lere / Warnung vnd Vnterricht findet (wer sie zu brauchen weis) wie man sich im Haushalten / in vnd gegen der Oberkeit vnd Vnterthanen schicken sol / auff das man klüglich vnd friedlich / vnter den bösen Leuten in der falschen argen Welt / leben müge.

Das mans aber dem Esopo zuschreibet / ist meins achtens / ein Geticht / vnd vieleicht nie kein Mensch auff Erden / Esopus geheissen / Sondern / ich halte /es sey etwa / durch viel weiser Leute zuthun / mit der zeit Stück nach Stück zuhauffen bracht / vnd endlich etwa durch einen Gelerten / in solche Ordnung gestelt / Wie jtzt in Deudscher sprach / etliche möchten / die Fabel vnd Sprüche / so bey vns im brauch sind / samlen / vnd darnach jemand ordentlich in ein Buch fassen / Denn solche feine Fabeln in diesem Buch / vermöcht jtzt alle Welt nicht / schweig denn ein Mensch / erfinden. Drumb ist gleublicher / das etliche / dieser Fabeln fast alt / etliche noch elter / etliche aber new gewesen sind / zu der zeit / da dis Büchlin gesamlet ist / wie denn solche Fabeln pflegen / von jar zu jar zuwachssen / vnd sich mehren / Darnach einer von seinen Vorfaren vnd Eltern höret vnd samlet.

Vnd Quintilianus / der grosse scharffe Meister vber Bücher zu vrteilen / helts auch dafür / das nicht Esopus / sondern der allergelertesten einer in griechischer Sprach / als Hesiodus / oder desgleichen / dieses Buchs Meister sey / Denn es dünckt jn / wie auch billich / vnmüglich seyn / das solcher Tolpel / wie man Esopum malet / vnd beschreibet / solte solch Witz vnd Kunst vermügen / die in diesem Buch vnd Fabeln funden wird / vnd bleibt also dis Buch eines vnbekandten vnd vnbenanten Meisters. Vnd zwar / es lobet vnd preiset sich selbs höher / denn es keines Meisters name preisen köndte.

Doch mögen die / so den Esopum zum Meister ertichtet haben / vnd sein leben dermassen gestellet /vieleicht Vrsach gnug gehabt haben / nemlich / das sie als die weisen Leute / solch Buch / vmb gemeines Nutzes willen / gerne hetten jederman gemein gemacht (Denn wir sehen / das die jungen Kindern / vnd jungen Leute / mit Fabeln vnd Merlin leichtlich bewegt) vnd also mit lust vnd liebe zur Kunst vnd Weisheit gefürt würden / welche lust vnd liebe[5] deste grösser wird / wenn ein Esopus / oder dergleichen Larua oder Fastnachtputz fürgestellet wird / der solche Kunst ausrede oder fürbringe / das sie deste mehr drauffmercken / vnd gleich mit lachen annemen vnd behalten. Nicht allein aber die Kinder / sondern auch die grossen Fürsten vnd Herrn / kan man nicht das betriegen / zur Warheit / vnd zu jhrem nutz / denn das man jnen lasse die Narren die Warheit sagen / dieselbigen können sie leiden vnd hören / sonst wöllen oder können sie / von keinem Weisen die Warheit leiden /Ja alle Welt hasset die Warheit / wenn sie einen trifft.

Darumb haben solche weise hohe Leute die Fabeln erticht / vnd lassen ein Thier mit dem andern reden /Als solten sie sagen / Wolan / es wil niemand die Warheit hören noch leiden / vnd man kan doch der Warheit nicht emberen / So wöllen wir sie schmücken / vnd vnter einer lüstigen Lügenfarbe vnd lieblichen Fabeln kleiden / Vnd weil man sie nicht wil hören /durch Menschen mund / das man sie doch höre /durch Thierer vnd Bestien mund. So geschichts denn /wenn man die Fabeln lieset / das ein Thier dem andern / ein Wolff dem andern / die Warheit sagt / Ja zuweilen / der gemalete Wolff oder Beer / oder Lewe im Buch / dem rechten zweifüssigen Wolff vnd Lewe einen guten Text heimlich lieset / den jm sonst kein Prediger / Freund noch Feind lesen dürffte. Also auch ein gemalter Fuchs im Buch / so man die Fabeln lieset / sol wol einen Fuchs vber Tisch also ansprechen /das jm der Schweis möchte ausbrechen / vnd solte wol den Esopum gern wöllen erstechen oder verbrennen. Wie denn der Tichter des Esopi anzeigt das auch Esopus / vmb der Warheit willen ertödtet sey / vnd jn nicht geholffen hat / das er in Fabeln weise / als ein Narr / dazu ein ertichter Esopus / solche Warheit die Thier hat reden lassen / Denn die Warheit ist das vnleidlichste ding auff Erden.

Avs der Vrsachen / haben wir vns dis Buch fürgenomen zu fegen / vnd jm ein wenig besser Gestalt zu geben / denn es bisher gehabt / Allermeist vmb der Jugend willen / das sie solche feine Lere vnd Warnung vnter der lieblichen gestalt der Fabeln / gleich wie in einer Mummerey oder Spiel / deste lieber lerne / vnd fester behalte. Denn wir gesehen haben / welch ein vngeschickt Buch aus dem Esopo gemacht haben /die den Deudschen Esopum / der fürhanden ist / an tag geben haben / welche wol werd weren einer grossen Straffe / als die nicht allein solch sein nützlich Buch / zu schanden vnd vnnütz gemacht / sondern auch viel Zusatz aus jrem Kopff hinzu gethan / Wiewol das noch zu leiden were.

Darüber so schendliche vnzüchtige Bubenstück darein gemischt / das kein züchtig / from Mensch leiden / zuuor kein jung Mensch / one schaden lesen oder hören kan / Gerad / als hetten sie ein Buch in das gemein Frawen haus / oder sonst vnter lose Buben gemacht / Denn sie nicht den Nutz vnd Kunst in den Fabeln gesucht / sondern allein ein Kurzweil vnd Gelechter daraus gemacht / Gerade als hetten die Hochweisen Leute jren trewen grossen vleis dahin gericht /das solche leichtfertige Leute solten ein Geschwetz vnd Narrenwerck aus jrer Weisheit machen / Es sind Sew vnd bleiben Sew / für die man ja nicht solt Berlen werffen.

Darumb so bitten wir alle frome Hertzen / wöllen denselbigen Deudschen schendlichen Esopum ausrotten / vnd diesen an sein stat gebrauchen / Man kan dennoch wol frölich sein / vnd solcher Fabel eine des Abends vber Tisch mit Kindern vnd Gesind nützlich vnd lüstiglich handeln / das man nicht darff so schampar vnd vnuernünfftig sein / wie in den vnzüchtigen Tabernen vnd Wirtsheusern / Denn wir vleis gethan haben / eitel feine reine nützliche Fabeln / in ein Buch zubringen / dazu die Legend[6] Esopi.

Was sonst nutz vnd nicht schedliche Fabeln sind /wöllen wir mit der zeit auch / so Got wil / leutern vnd fegen / damit es ein lustiger vnd lieblicher / doch erbarlicher vnd züchtiger vnd nützlicher Esopus werde /des man one Sünde lachen vnd gebrauchen könde /Kinder vnd Gesind zu warnen vnd vnterweisen auff jr zukünfftiges Leben vnd Wandel / Daher er denn von anfang ertichtet vnd gemacht ist.

Vnd das ich ein Exempel gebe der Fabeln wol zu gebrauchen / Wenn ein Hausvater vber Tisch wil Kurtzweil haben / die nützlich ist / kan er sein Weib /Kind / Gesind fragen / Was bedeut diese oder diese Fabel? vnd beide sie vnd sich darin üben. Als die fünffte Fabel vom Hund mit dem Stück Fleisch im Maul / bedeutet / wenn einem Knecht oder Magd zu wol ist / vnd wils bessern / so gehets jm / wie dem Hund / das sie das gute verlieren / vnd jenes bessere nicht kriegen. Item / wenn sich ein Knecht an den andern hengt / vnd sich verfüren lesst / das jm gehe /wie dem Frosch an der Maus gebunden / in der dritten Fabel / die der Weihe alle beide fras / Vnd so fort an in den andern Fabeln mit lieb mit leid / mit drewen vnd locken / wie man vermag.

One das wir müssen das vnser bei jnen thun.[7]

Quelle:
Martin Luther: Etliche Fabeln aus Esopo von D. M. Luther verdeutscht , in: Fabeln. Heidelberg 1924, S. 3–11, S. 5-8.
Enstanden 1530. Erstdruck: Jhena (Christian Rödingers Erbern) 1557, Gesamtausgabe der Werke.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon