132. Der weißen Jungfrau zu Homberg Verrath.

[83] Als im Sommer des Jahres 1636 der General Götz mit einem großen Heere vor Homberg erschien, flüchtete sich ein Theil der Bürger in das Schloß, welches eine hessische Besatzung hatte. Die Stadt fiel den Kaiserlichen fast ohne Widerstand in die Hände, doch beschossen sie vergebens von einer benachbarten Höhe das Schloß; nach einem mißlungenen Sturme zog sich Götz nach Zennern zurück, günstigere Gelegenheit abzuwarten.

Da erschien ihm in einer Nacht die weiße Jungfrau, welche noch bis auf den heutigen Tag im Homberger Schloßberge haust, und verkündete ihm, auf dem Schlosse herrsche Wassermangel; eine Magd sei in den Brunnen gefallen und ihr Leichnam in Stücken wieder herausgeholt worden. Der Ekel habe der Besatzung den Gebrauch des Wassers verleitet und sie hole nun ihren Bedarf außerhalb der Mauern aus einem Brunnen, welcher am Abhange des Schloßberges, gegen Mitternacht zu, hervorquelle; wenn man[83] ihr auch diesen verlege, so sei sie zur Uebergabe gezwungen. Alsbald brach der kaiserliche General wieder gegen Homberg auf und er fand es, wie ihm verkündigt worden war. Da ließ er den Brunnen am Schloßberge mit todtem Vieh zuwerfen, und der Besatzung blieb nun nichts übrig, als dem Feinde sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. LXXXIII83-LXXXIV84.
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