206. Der versunkene Hof.

[136] Bei Eichenzell unweit Fulda liegt ein großer schilfbewachsener Sumpf von hohen Tannen umgeben, still und düster. Oftmals sollen Trunkene hineingefallen, Pferde darin versunken sein, und manche schauerliche Sage lauft darüber in der Gegend um. Verwegene Bauern, welche einmal den schlammigen Rand des Sumpfes mit Brettern belegt hatten und nach der Mitte vordrangen, fingen dort Hechte und Karpfen, welche aber alle schwarz von Farbe waren.

In alter Zeit soll hier ein schöner Hof gestanden haben.[136] Der Herr desselben war aber ein reicher Prasser, welcher täglich in Saus und Braus lebte und alle Schlemmer der Umgegend anzog. Wie der Herr, so auch die Knechte; sie trieben gottlosen Frevel mit dem lieben Brode und fütterten die Pferde damit. Eines Tages aber, als die Frau vom Hause gerade irgend einen Schmutz mit Brod abwischte, versank Haus und Hof mit Mann und Maus in die Tiefe, und ein Sumpf trat an die Stelle. Kein Mensch aus dem Hofe ist jemals wieder gesehen worden, zu nächtlicher Stunde aber kommen die Geister der Versunkenen als Lichter zum Vorschein und tanzen zischend auf dem Sumpfe umher.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CXXXVI136-CXXXVII137.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen