207. Die Hunde.

[137] Vor langer Zeit begegnete einmal einem Edelmanne, dessen Lieblingsbeschäftigung die Jagd war, eine Frau mit einem großen verdeckten Korbe. Neugierig fragte der Edelmann, was sie in dem Korbe trage? Sie antwortete: »Zwei Hunde, welche ersäuft werden sollen.« Der Edelmann entgegnete darauf, daß er die Hunde sehen und behalten wolle, da er ein großer Freund von Hunden sei. Die Frau weigerte sich indessen hartnäckig, den Korb aufzudecken, weil es ihr bei harter Strafe untersagt sei. Endlich wollte der Edelmann Gewalt brauchen; da deckte das Weib zitternd den Korb auf, und – zwei neugeborne schöne Knaben lächelten dem Edelmanne entgegen. Dieser ließ sie sogleich nach seiner Burg tragen und nahm sie, da er kinderlos war, an Kindesstatt an.

Er schickte zu einem benachbarten Geistlichen und ließ ihn bitten, »zwei junge Hunde auf seiner Burg zu taufen.« Aber der Pfarrer lehnte solch ein Ansinnen mit Heftigkeit und Unwillen ab; ein anderer Geistlicher machte es ebenso. Als er zu einem dritten schickte, vermuthete dieser sogleich eine andere und eigne Bewandniß[137] der Sache. Er kam und taufte die Knaben, welchen der Edelmann den Namen »Hund« beilegte. Von diesen beiden Knaben, die sich später in allen ritterlichen Uebungen auszeichneten und eine Burg, die »Hundsburg« erbauten, stammte die bekannte adliche Familie der »Hunde« ab.

Der Pfarrer aber, der die Knaben taufte, soll der zu Metz, unfern Gudensberg, gewesen sein, bei dessen Stelle sich noch ein Zehnten befindet, der »Hundszehnten« genannt.

Justi Vorzeit 1826, 170.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CXXXVII137-CXXXVIII138.
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