234. Die Belagerung der Weidelburg.

[162] Reinhard von Dalwigk, der Ungeborene, war ein eben so tapferer als stolzer Ritter; er lebte wie ein kleiner Fürst. Seine Rauflust und ewigen Fehden, auch Raub und Plünderungen, die man ihm zur Last legte, hatten ihm die Ungnade seines Fürsten, des Landgrafen Ludwig des Friedsamen zugezogen, welcher seine Vasallen aufbot und den Ritter in seinem Schlosse Weidelberg belagerte. Als er nun sehr gedrängt ward und der Landgraf von der Belagerung nicht ablassen wollte, bis der Ritter sich ergeben und gefänglich stellen würde, ließ er von den Seinen einige zum Landgrafen gehen und mit diesem, als geschähe es ohne sein Wissen, wegen der Uebergabe des Schlosses unterhandeln. Der Landgraf gestattete ihnen frei abzuziehen mit Allem, was sie auf einem Esel davon führen könnten, unter der Bedingung, daß der Ritter sich als Gefangener stelle. Da kroch Reinhard in einen Sack, ließ sich auf den Esel legen und hieß seine Leute vorgeben, es seien ein paar Seiten Speck in dem Sacke. Als aber der Zug durch das landgräfliche Lager ging, machte der Sack Aufsehen; der Landgraf befahl seinen Inhalt zu untersuchen und so ward der Ritter gefangen.

Hess. Zeitrechn. z.J. 1696.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CLXII162-CLXIII163.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen