65. Die Wichtelmännchen.

[42] Frisch und lebendig hat sich in Hessen der Glaube an die Wichtelmännchen erhalten. Im Allgemeinen stellt das Volk sich dieselben als kleine, daumengroße Wesen mit dicken Köpfen vor, die sich unsichtbar machen können, gern den Menschen kleine Neckereien zufügen, aber auch gern ihnen helfen und Gutes thun. Die Kinder haben noch ein Spielzeug, das sie Wichtelmännchen nennen; es ist das Mark der Hollunder, in dreiviertel Zoll lange Stücke zerschnitten; in jedes Stück wird der Länge nach ein dickköpfiger Nagel gesteckt: die Schwere des Nagelknopfes macht, daß das Ding, wie man es auch stellen oder legen mag, sich immer von selbst auf den Kopf stellt.

Den neugebornen Kindern sind die Wichtelmännchen besonders gefährlich. Vor dem neunten Tage darf in der Wochenstube das Licht nicht ausgehen, sonst können sie den Säugling noch vertauschen, einen Wechselbalg an seine Stelle legen.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. XLII42.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen