73. Der Wichtelbalg.

[47] An der Schwalm bei Uttershausen, rechts von dem Wege, der nach Homberg führt, liegt der Dosenberg; dicht am Ufer gehen zwei Löcher hervor, die waren vor Alters Aus- und Eingänge der Wichtelmännchen. Einmal schnitt eine Frau Korn am Dosenberg und hatte zur Seite ihr kleines Kind liegen. Ein Wichtelweibchen kam geschlichen, nahm das Menschenkind und legte sein eigenes an die Stelle. Als die Frau nach ihrem lieben Säugling sehen wollte, gaffte ihr ein häßlicher Dickkopf in die Augen. Sie schrie laut auf und schrie so heftig Zeter, daß die Diebin endlich mit dem Kinde wiederkam; aber nicht eher gab sie es zurück, bis die Frau den Wichtelbalg an ihre Brust gelegt und einmal mit edler Menschenmilch gesäugt hatte.

Grimm d.M. 427.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. XLVII47-XLVIII48.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen