An eine Lieblingsbuche meines Gartens

[727] in deren Stamm ich Höltys Namen schnitt


Holdeste Dryas, halte mir still! es schmerzet nur wenig:

Mit wollüstigem Reiz schließt sich die Wunde geschwind.

Eines Dichters Namen zu tragen bist du gewürdigt,

Keinen Lieberen hat Wiese noch Wald mir genannt.

Sei du künftig von allen deinen Geschwistern die erste,

Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt![727]

Und ein liebendes Mädchen, von deinem Dunkel umduftet,

Sehe den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt.

Leise drückt sie, gedankenvoll, die Lippen auf diese

Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das innerste Mark.

Wehe der Hand, die dich zu schädigen waget! Ihr glücke

Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches Werk!


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 727-728.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1867)
Gedichte
Der Nacht ins Ohr. Gedichte von Eduard Mörike.Vertonungen von Hugo Wolf. Ein Lesebuch von Dietrich Fischer-Dieskau
Sämtliche Gedichte in einem Band
Die schönsten Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)