Auf das Grab von Schillers Mutter

[727] Cleversulzbach, im Mai


Nach der Seite des Dorfs, wo jener alternde Zaun dort

Ländliche Gräber umschließt, wall ich in Einsamkeit oft.

Sieh den gesunkenen Hügel; es kennen die ältesten Greise

Kaum ihn noch, und es ahnt niemand ein Heiligtum hier

Jegliche Zierde gebricht und jedes deutende Zeichen;

Dürftig breitet ein Baum schützende Arme umher.

Wilde Rose! dich find ich allein statt anderer Blumen;

Ja, beschäme sie nur, brich als ein Wunder hervor!

Tausendblättrig eröffne dein Herz! entzünde dich herrlich

Am begeisternden Duft, den aus der Tiefe du ziehst!

Eines Unsterblichen Mutter liegt hier bestattet; es richten

Deutschlands Männer und Fraun eben den Marmor ihm auf.


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 727.
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