Das lustige Wirtshaus

[784] Akademischer Scherz


Die Burschen:


Man lebet doch wie im Schlaraffenland hier,

Da schmauset man frühe wie spat;

Schon dreht sich der Boden vor Wonne mit mir,

Kaum daß ich die Schwelle betrat!


Der Becher, ihr Herrn, wird nur gratis gefüllt:

Der Wirt ist kein knausiger Tropf,

Er führt den Hanswurst nicht vergeblich im Schild,

Man wirft euch das Geld an den Kopf.


Der Alte soll, wißt ihr, ein Zauberer sein,

Er lächelt auch immer so schlau;

– Und seht nur, was treten für Kerl da herein?

Die Eule, der Storch und der Pfau!


Wie sittig, kratzfüßig und blöd sie sich drehn!

Pedanten vom köstlichsten Schlag!

Sie nehmen sich Stühle – das muß ich gestehn,

So was sieht man nicht alle Tag!


Mein Alter am Fäßchen, er zapfet den Wein

Und hält sich vor Lachen den Bauch;

Rebekke schenkt ihnen vom feurigsten ein

Und zierlich kredenzt sie ihn auch.


Nun sitzen sie steif wie Professorsleut da,

Und lassen das Glas unberührt,

Wir Herren vom Humpen sind ihnen zu nah:

Man hat sich leicht kompromittiert.


Nur ruhig, und kehrt euch noch gar nicht an sie!

Die führen ihr Mütlein im Sack;

Es ist nur erlogene Pedanterie,

Sie sind das versoffenste Pack.


Inzwischen, mein schönes, schwarzaugiges Kind,

Komm, sing uns was Lustiges vor!


[784] Das Mädchen:


Das kann ja geschehen; die Herren dann sind

So gütig und machen den Chor.


Dieselbe fährt fort mit der Zither:


– Mein Vater, der hatte drei Krebse zum Schild,

Da sprachen die Leute nicht ein:

Nun führt er den scheckigen Narren im Bild,

Er selber trinkt aber den Wein.


Chor:


Heida! sa sa!


Er selber trinkt aber den Wein.


Mädchen:


Auch seht ihr ja wohl, wie so herrlich das lauft,

Man denkt, es wär Kirmes im Haus;

Und wenn man uns Betten und Stühle verkauft,

Wir lachen die Leute noch aus.


Chor:


Heida! sa sa!


Ihr lachet die Leute noch aus.


Mädchen:


Mein Vater, heißt's, hab ein klein Männlein im Sold,

Ein Männlein, so fein und so klug,

Und wenn er nur möchte und wenn er nur wollt,

Wir hätten Dukaten genug.


Chor:


Heida! sa sa!


Ihr hättet Dukaten genug.


Mädchen:


Das laß ich nun gerne dahingestellt sein;

Was kümmert mich Silber und Gold!

Und zög ich auf Bettel landaus und landein,

Mein Schätzchen, das bliebe mir hold.


Chor:


Heida! sa sa!


Dein Schätzchen, das bliebe dir hold.


[785] Mädchen:


Denn ich und des Schäfers sein lustiger Franz,

Wir ziehn wie die Vögel so frei,

Ich spiele die Zither, das Hackbrett zum Tanz,

Mein Liebster, der spielt die Schalmei.


Chor:


Heida! sa sa!


Dein Liebster, der spielt die Schalmei.


Mädchen:


Und wenn meine Mutter Frau Kaiserin wär,

Hätt ich Kleider und seidene Schuh,

Ich gäb doch den herzigen Jungen nicht her,

Gäb ihm Kron und Zepter dazu.


Chor:


Heida! sa sa!


Gäbst ihm Kron und Zepter dazu.


Einer:


Doch seht mir nur dort das Professorsvolk an!

Das jauchzet und tanzet und hopft!

Der Storch und der Pfau und die Eule voran –

Mein Seel, sie sind alle bezopft!


Chor:


Heida! sa sa!


Mein Seel, sie sind alle bezopft!


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 784-786.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1867)
Gedichte
Der Nacht ins Ohr. Gedichte von Eduard Mörike.Vertonungen von Hugo Wolf. Ein Lesebuch von Dietrich Fischer-Dieskau
Sämtliche Gedichte in einem Band
Die schönsten Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin

1880 erzielt Marie von Ebner-Eschenbach mit »Lotti, die Uhrmacherin« ihren literarischen Durchbruch. Die Erzählung entsteht während die Autorin sich in Wien selbst zur Uhrmacherin ausbilden lässt.

84 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon