Der Petrefaktensammler

[848] An zwei Freundinnen


Einmal noch an eurer Seite,

Meinen Hammer im Geleite,

Jene Frickenhauser Pfade,

Links und rechts und krumm und grade,

An dem Bächlein hin zu scherzen,

Dies verlangte mich von Herzen.[848]

Aber dann mit tausend Freuden

Gleich den Hügel auf zu weiden,

Drin die goldnen Ammoniten,

Lias-Terebratuliten,

Pentakrinen auch, die zarten,

Alle sich zusammenscharten, –

Den uns gar nicht ungelegen

Just ein warmer Sommerregen

Ausgefurcht und abgewaschen,

Denn so füllt man sich die Taschen.

Auf dem Boden Hand und Knie,

Kriecht man fort, o süße Müh!

Und dazwischen mit Entzücken

Nach der Alb hinaufzublicken,

Deren burggekrönte Wände

Unser sonnig Talgelände,

Rebengrün und Wald und Wiesen

Streng mit dunkeln Schatten schließen!

Welche liebliche Magie,

Uns im Rücken, übten sie!

Eben noch in Sonne glimmend

Und in leichtem Dufte schwimmend,

Sieht man schwarz empor sie steigen,

Wie die blaue Nacht am Tag!

Blau, wie nur ein Traum es zeigen,

Doch kein Maler tuschen mag.

Seht, sie scheinen nah zu rücken,

Immer näher, immer dichter,

Und die gelben Regenlichter

All in unser Tal zu drücken!

Wahrlich, Schönres sah ich nie.


Wenn man nur an solcher Stätte

Zeit genug zum Schauen hätte!

Wißt ihr was? genießt ihr beiden

Gründlich diese Herrlichkeiten,

Auch für mich genießet sie!

Denn mich fickt' es allerdinge,

Wenn das rein verlorenginge.

Doch, den Zweck nicht zu verlieren,

Will ich jetzt auf allen vieren[849]

Nach besagten Terebrateln

Noch ein Stückchen weiterkratteln;

Das ist auch wohl Poesie.


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 848-850.
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