506. Thoms und der Niß.

[342] Lange hatte Thoms im Dorfe als Knecht gedient, hatte in manchen Spinnstuben Garn wickeln helfen und Geschichten erzählen hören, alle Häuser kannte er, in welchen ein Niß Puk sein Wesen trieb, ja er hatte sogar in einem derselben gedient, aber ihn selbst hatte er noch nicht zu Gesicht bekommen, so sehr er auch darauf ausgewesen war. Im Herbst wechselte er wieder seinen Dienst und kam auf einen großen Bauernhof. Da war eines Tags eins der Pferde verfangen; es sollte daher mit Kleie und Häcksel gefüttert werden. Der Bauer schickte Thoms zum Schneiden auf den Boden und bedeutete ihm dabei, er würde die Häcksellade schon finden. Thoms suchte und fand eine alte Lade, die lange außer Gebrauch war, und die Niß sich nun zur Schlafstelle ausersehen hatte. Thoms legte ein Bündel Stroh hinein, setzte die Hand fest darauf und wollte schon anfangen zu schneiden, da krabbelte es ihm unter der Hand. Augenblicklich dachte er an Niß, hielt nun noch deto fester und rief: »Bist du dat, Niß?« »Ja«, antwortete Niß, »doo mi man niks, dat schal di ok guud gaan.« Thoms versprach es; aber unter der Bedingung, daß Niß sich ihm in seiner ganzen Gestalt sehen lasse. Niß willigte ein. »Lüggst du ok?« fragte Thoms noch einmal. »Ik leeg mien Daag nich«, antwortete Niß. Darauf ließ Thoms ihn los; Niß zeigte sich ihm in seiner ganzen Gestalt, und bat ihn, er möchte es keinem verraten, es sollte ihm gut gehen.

Der Knecht hielt Wort und er und Niß wurden die besten Freunde; denn Thoms sorgte stets für Niß, und als er nach Jahresfrist seines Herrn Tochter heiratete, da zog Niß Puk mit ihm, und alles, was er anfaßte, gedieh. Thoms starb als reicher Mann und Bauervogt im Dorf.


Aus Stapelholm von D. St. durch Storm.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 342.
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