43. Adelbrand und Antolille.

[43] Unfern der jütischen Grenze liegen zwei Güter Fobeslet und Drenderup, wo einst ein paar feste Burgen waren. Auf Drenderup hauste ein wilder, roher Ritter, Herr Adelbrand, der in heftiger Liebe für Fräulein Antolille auf Fobeslet entbrannte. Aber auf seine demütige Bewerbung gab das Fräulein ihm zur Antwort, er gleiche dem Hunde ihres Vaters, und als er darauf zärtlicher und dringender seine Bitte wiederholte, meinte sie, er sei nicht besser als ein alter Pantoffel. Da war des Ritters Geduld bald zu Ende, seine Liebe verwandelte sich in grimmigen Haß, und er schwor der Stolzen die blutigste Rache. Seit der Zeit wagte sich das Fräulein nicht von ihres Vaters Burg.

Es vergingen sieben Jahre. Da verbreitete sich das Gerücht, Ritter Adelbrand sei auf einer Reise gestorben. Da atmete Fräulein Antolille auf und befahl, sogleich die Pferde vorzuspannen; sie wolle zur Kirche fahren, die sie so lange nicht besucht hatte. Aber kaum war sie auf dem Wege, als Adelbrand mit seinen Leuten hervorbrach, den Wagen anhielt, die Diener entwaffnete und das Fräulein ergriff. Dann band er die Unglückliche an den Schweif seines Pferdes und jagte so in wildem Galopp seiner Burg zu. Die Mutter sah von den Fenstern ihres Schlosses das Schicksal ihrer Tochter und starb vor Schreck und Schmerz mit ihr in demselben Augenblick. Kaum aber hatte Adelbrand die Tat vollbracht und seine Rache gekühlt, so fiel er in Verzweiflung und ermordete sich selbst. Am folgenden Morgen begrub man drei Leichen in Drenderup.

Obgleich aber Adelbrand feierlich bestattet ward, kehrte sein Schädel, in dem die böse List ersonnen war, doch stets zurück nach Drenderup und konnte keine Ruhe in der Erde finden. Selbst der jetzige Besitzer hat den Totenkopf noch fortbringen und begraben lassen, aber dennoch kam er wieder auf seinen vorigen Platz auf dem Boden des Herrenhauses zurück und hat da schon manchen, namentlich Diebe, erschreckt.


Schriftliche Mitteilung. – Auflösung eines Liedes. Danske Viser III, 386.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 43.
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