239. Der Müller ohne Sorgen.

[161] Der König kam einst durch Dithmarschen und bei eines Müllers Haus vorbei, an dessen Tür stand geschrieben: »Ich lebe ohne Sorgen.« Der König ließ den Müller sogleich zu sich kommen und fragte ihn, wie er sich's einfallen lassen könnte, das über seine Tür zu schreiben, da er, der König selber, es nicht einmal von sich sagen könnte. Der Müller antwortete, es wäre nun einmal so und ließe sich nichts dabei machen. »Nun«, sagte der König, »so komm er morgen früh nur einmal zu mir; dann will ich an ihn drei Fragen tun und kann er die beantworten, will ich's ihm glauben.« Am andern Morgen kam der Müller. »Guten Morgen, guter Freund«, sprach der König, »was meint er, was ich denke[161] in diesem Augenblick?« »Ihr meint«, antwortete der Müller, »der Müller kommt«. »Allerdings«, sagte der König; »aber wie schwer ist wohl der Mond?« »Höchstens«, antwortete der Müller, »vier Viertel, und wenn Ihr es nicht glauben wollt, müßt Ihr selbst nachwägen.« »Und wie tief ist das Wasser?« fragte der König wieder und der Müller antwortete: »Einen Steinwurf«. Da lächelte der König und sagte: »Höre er, Müller, er ist ein Schalk; aber wenn er mit Allem so schnell fertig werden kann, ist's kein Wunder, daß er keine Sorgen hat.« Der König beschenkte den Müller reichlich und sind ihr Lebtage gute Freunde geblieben.


Mündlich aus Marne.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 161-162.
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