Vierte Scene.

[241] Pfälzel.

Adolf, Julie.


ADOLF. Laßt Alle urtheilen, was sie wollen, beschuldigen Zeugen bestechen, verdammen, hängen, brennen; Wahrheit bleibt Wahrheit und Unschuld Unschuld, es soll der Hölle selbst nicht möglich seyn, beyde auf immer zu verschwärzen. Ich muß jetzt nur zu all' den Grimassen lachen, die mir die droben zuschneiden; der[241] Tag ist da, der Ritterrath hier fast beyeinander, von allen Seiten reiten sie auf Pfälzel an. Nur unverzagt, Tochter, es soll dir bald anders gehn.

JULIE. Woll's Gott, daß es so gut ausfiele, als ihr's hofft. Vater, mir ist aber angst; Steffen war so lange ausgeritten, der kam gestern spät in die Nacht zurück, brachte Neuigkeit, drüber die droben frohlockten. Mir hat's ein treuer Bedienter gesteckt, als sey er im Lager gewesen, habe Genovefa vor Siegfried verklagt, der ihm auch gleich ein sehr streng Urtheil gegen die arme Gräfin ausgefertigt.

ADOLF. Ha ha ha! Glaubst du so was? Lügen, pur Lügen, boshafte, von meiner Schwester ausgeheckte Lügen. Siegfried ein Urtheil gegen seine fromme tugendreiche Gemahlin! Und wär's auch, so ist's falsch, ungültig. Der Ritterrath hier soll's bald klar thun, wirst sehn, ob nicht Alles nach unserm Wunsch ausschlägt.

JULIE. Gott geb's.[242]

ADOLF. Und wär's nicht, wie's nun aber gewiß nicht anders kommen kann, – aber gesetzt, wär' auch der Ritter Ausspruch uns entgegen: das Herz hab' ich dir drum doch noch nicht verloren; so alt ich bin, fodre stehenden Fußes gleich Golo in die Schranken vor, Genovefens Ehre gesetzmäßig gegen sein Leben zu behaupten; Gott wird mir helfen.

JULIE. Daß es doch nie so weit komme!

ADOLF. Thu's, so wahr ich lebe. Tochter, habe dir doch eine gute Nase, habe dir Dinge gerochen gleich vom Anfang und nun weiß ich's gewiß. O du Nichtswürdiger! Nichtswürdiger! Dich lüstet nach solch einem Bissen; deines Freundes, deines Herren Eheweib. – Ha, da traben schon wieder ein Paar die Brücke herüber! Wie's denen droben dabey zu Muthe werden muß! Ich muß in den Saal, Kind; schau, daß jeder empfangen und bedient wird, habe noch was Nothwendiges zu thun, laß Wein auftragen, sey achtsam.

JULIE. Adam ist droben zur Hand, er versieht das All mit Brandfuchs.[243]

ADOLF. Auch wahr. Adjes. – Siehst, wenn die gute Gräfin wollte, noch heut könnte sie dir frey seyn; wenn sie nur mit Golo ... Da liegt's. Verstehst?

JULIE. Nein, Vater.

ADOLF. Desto besser. Pfui! Garstig, wie ein faul Ey. Kind, denk' nicht weiter dran. – Da kommen schon wieder ein paar Andre angestochen, müssen jetzt gewiß All' droben beysammen seyn. Hinauf, Kind, in dein Kämmerlein, hinter dir zugeriegelt, nieder gekniet zu Gott, daß jetzt Alles gut geht.

JULIE. Eine schwere Stunde. Gott reinige Aller Herzen zum Gericht der Unschuld. Ab.

ADOLF. Da will ich nun reden vor dieser Ritterschaft! Es wird mir entsetzlich heiß, will das Maul weit aufreißen, das die mir so lang schon verpicht; Alles auf einmal 'raus, was ich seitdem niedergeschluckt.


[244] Carls Reitknecht.


ADOLF. Wen suchst?

REITKNECHT. Euch selbst, Herr Hauptmann.

ADOLF vor sich. Schöner Hauptmann, habe nichts mehr zu befehlen.

REITKNECHT. Ritter Carl läßt euch tausendmahl grüßen und durch mich voran bedeuten, daß er in ein paar Stunden ganz gewiß hier in Pfälzel eintrift.

ADOLF. Ist's möglich? Carl! O wo führt dich der liebe Gott so zur rechten Stunde her? Hilfe! Hilfe vom Himmel! Jetzt bin ich auf einmahl curirt. – Kommen die Andern auch etwa bald? Weß Weges kommt er her?[245]

REITKNECHT. Er ist für sich allein, samt uns zwey Knechten, die er sich zum Geleit gewählt. Graf Siegfried schickt ihn voran hieher, seine baldige Rückkunft anzukündigen. Ritter Carl reitet über Schönfeld 'rüber und schickte mich gerades Wegs voran.

ADOLF. O Herzensjunge, seh' ich dich vor meinem Ende wieder? Ging' nur nicht gleich der Ritterrath droben an, wo ich nothwendig dabey seyn muß: gleich auf's Pferd und schnell ihm entgegen! Wieder 'mahl ein Labsal! Herein, Freund, eßt und trinkt eins.

REITKNECHT. Das schlag' ich nicht aus, haben lange schon gefaltet. Ab.

ADOLF. Getrost, Genovefa, deine Hülfe ist jetzt nah! Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 241-246.
Lizenz:
Kategorien: