Siebente Scene.

[381] Mathildens Zimmer.

Bett, worin Mathilde liegt, zwey Kerzen brennend, Franciskaner kniend, Doctor.


DOCTOR. Leise – ha – noch.

FRANCISKANER steht auf. Vielleicht schläft sie. Doctor rückt den Vorhang.

MATHILDE starr. Golo! Sohn Golo!

FRANCISKANER. Unruh nach ihm beständig! Wie dumpf hohl! Arbeitet mit der Hand in die Decke.

DOCTOR. Giftkrampf.

FRANCISKANER. Erstickt ... schäumt ... bäumt![382]

DOCTOR. Der Tod liegt nun gewaltig ihr über den Nerven und spannt.

FRANCISKANER. Hier geistlicher und leiblicher Rath umsonst! Seht, wie gräßlich sie jetzt knirscht.

DOCTOR. Murmelt.

MATHILDE. Iß dein Gift allein, hab' schon mein Theil verschluckt. Oh! Oh! Hellt!

FRANCISKANER. Arme Seele, dir steh' die Gnade bey.

MATHILDE. Ha! Dragones! Genovefa! Laßt mich! Helft!

DOCTOR. Schwere Namen, Centner schwer![383]

MATHILDE. Helft! Helft! O laßt mich doch nur ein mahl! Doch nur ein einzigmahl! Oh!

FRANCISKANER. Zerschlagnes Herz, Gott heile dich.

MATHILDE. Bist du der Waldbruder? Kriech' her unter die Decke! Wart noch! – Still drunten! – Tief drunten, bereitende sie unser Hochzeitbett! – Still, daß keine Maus hört, wenn wir beysammen sind!

FRANCISKANER. Sie will auf.

DOCTOR. Die Gicht krümmt sie.

MATHILDE. Sie haben's Kist und Kasten voll .... sie tischen's uns voll! Wenn nur deren ihr Gesicht nicht dabey wäre – deren dort. – Mir schmeckt nichts! – Fort, gebt ihr ein Stück, haltet ihr die Hände vor, mag[384] ihre leeren Augenlöcher nicht sehn! – Fort! Begrabt sie, bevor es Tag wird! – Still, daß es Niemand weiß ... Siegfried nichts erfährt ... Uh! Oh! Oh! Stirbt.

DOCTOR. Zerschnitten der Faden, ausgelöscht die Lampe, todt.

FRANCISKANER. Gott, welch ein Ende!

DOCTOR. Schrecklich, wie ich keines sah.

FRANCISKANER. Der Spiel ihres vergangenen Lebens. – Gott, du Gnadenquelle, richte nach deiner großen Barmherzigkeit, fasse auf ihre sinkende Seele.

DOCTOR. Sie hat wichtige Worte fahren lassen, sehr wichtige.

FRANCISKANER. Wir stehn am Rande; sie mißt den Weg hin durch das Land der Ewigkeit. Wo Gott als Richter steht,[385] müssen Menschen schweigen. Rückt den Vorhang und zugleich auch einen Vorhang über diese traurige Scene.

DOCTOR. Hier kommt der Ritter.


Golo.


GOLO. Wie steht's mit ihr dort? Zieht den Vorhang wieder weg.

FRANCISKANER. Verschied so eben, sie starb eines schweren Todes; hat oft vor ihrem Ende nach euch verlangt.

GOLO. Besorgt ihr Leichenbegängniß. Ich kann nicht selbst dabey seyn, habe mein Wort gegeben, drüben in Pfälzel zu erscheinen, muß jetzt dorthin. Ordinirt ihr Alles, wie ihr's für gut und nöthig findet.

FRANCISKANER. Ich unterziehe mich gern dieser Mühe, aber eure Gegenwart dünkt mich dabey höchst nothwendig und auch anständig.[386]

GOLO. Ein andermahl, im Fall wo ihr wollt, nur dießmahl unmöglich! Es thut sich nicht. Auf Pfälzel hinüber muß ich, wir haben nach der Jagd noch nothwendige Dinge mit einander abzumachen, Siegfried und ich. Es geschieht eine Gränzabtheilung unsers Forstes.

FRANCISKANER. Aber auf einen Tag, was kommt drauf an? Siegfried wird euch gewißlich entschuldigen.

GOLO. Auf eine Stunde, Herr! Ich sollte schon nicht so lange hier schwätzen. Morgen ist Hubertus, den kein braver Jäger ungejagt vorbey läßt. Steine Pferdewechsel sind schon auf diese Nacht bestellt, morgen bey guter Zeit drüben zu seyn. Uebernehmt die Mühe, auch ihr, Doctor, und macht mir nachher Rechnung; es soll euch nichts schaden.

FRANCISKANER. Bleibt dießmahl von der Jagd, ich bitte euch sehr.

GOLO. Unmöglich. Jagen ist für mich noch das Einzige; man vergißt so Vieles darüber.[387]

DOCTOR. Jagen ist schon gesund, wie alle Bewegung überhaupt, die den Körper nicht zu heftig anstrengt und mit Vergnügen verbunden ist; aber auch alles mit rechtem Maß und zur rechten Zeit.

GOLO. Da werde der Henker fertig! Adjes. Ab.

DOCTOR. Im Ernst fort.

FRANCISKANER. O mein Gott! Noch raucht der Leichnam der eben verschiedenen Mutter, und ihr Sohn sie schon vergessen! Was soll's noch in dieser Zeit? Aelternliebe, Liebe zu Gott, wo find' ich die?

DOCTOR. Wenn ihr wüßtet, was sich die Bedienten des Schlosses einander hier in die Ohren raunen! Mit dem Waldbruder soll's eine besondre Bewandtniß haben, er hat sich gewiß zu Trier dem Herzog offenbart, der ihn alsbald gegen Golo's Nachstellungen in Schutz genommen. Er soll der verlorne Sohn einer großen Familie[388] seyn, den dieser Strudel, Mathilde, die Alles, was ihr nahe kam, in sich zog, verschlungen. Man spricht Dinge davon, die eines Ehrenmannes Zunge nachzusprechen sich schämt; unter dem Vorwand geistlicher Uebung trieben sie sichrer ihr unzüchtig Spiel.

FRANCISKANER. O Schande! Erröthe die Erde, die solche Ungeheuer trägt! Das Gewand, das frommer Andacht geweiht ist, so zu entehren, so den Bußrock zur geilen unzüchtigen Buhldecke besudeln! Ach! Ach!

DOCTOR. Die Zeit bringt doch Alles endlich an's Licht. Laßt uns, es ist spät, die Nachtglocke wurde lange schon geläutet.

FRANCISKANER. Was für ein Lärm unten? – Draussen! Wer schreyt?


Bedienter stürzt herein.


BEDIENTER. Feuer! Feuer! Das ganze Schloß in Flammen![389]

DOCTOR. Wo rett' ich mich? Hilfe! Läuft ab.

FRANCISKANER. Gott, woher? Wo ist Golo?

BEDIENTER. Vor einigen Minuten fort Pfälzel zu. – Flieht! Rettet euch!

FRANCISKANER. Wer kommt da!

BEDIENTER. Oh! Er ist's! Der verstellte Waldbruder mit der Mordfackel! Flieht, rettet euch! Bald, bald! Ab.

FRANCISKANER. O Wallrod von Sponheim, was macht ihr hier? Im Namen Gottes, steht, sagt! Hält das Crucifix vor.

WALLROD mit Fackel und Dolch in Ritterkleidung.

WALLROD. Hinweg, wer Tod und Verderben nicht sucht! Fort! Reizt mich nicht zu Neuem, habe schon zu viel Sünden auf mir.[390]

FRANCISKANER. Kehre wieder, verlornes Schaf, komm! Er, der am Kreuz den bittern Tod erlitt, hat Gnade für all' unsre Sünde.

WALLROD reißt sich los. Laß mich! Geh deines Pfades! Hier ist der meine. Die Flammen schlagen herein, auswendig kracht es uns stürzt, der Franciskaner zieht sich zurück. Wie steht's? Liegst du jetzt so ruhig? Hab' ich dich endlich einmahl unterbracht, du? Jetzt hat dein Verrath ein Ende! Du wirst mir jetzt treu bleiben; nicht wahr? – Wie's hinauf, hinunter knattert! – Juh! Die Hitze umringt und verzehrt mich schon! Sitzt auf das Bett. Her deine Hand, feins Liebchen, brennen jetzt gewiß einmahl in einer Flamme! Wirft sich über sie.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 381-391.
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