33. Patriotisches Lied am Christabend

[77] Aus einer noch ungedruckten pfälzischen Idylle. 1792.


Erneue deinen Segen heut', o Herr, und steige

In diesem Augenblick im Geiste nieder

Zu uns als sel'ges Kind, damit geboren wieder

Zu dir das Herz durch dich sich rein und kindlich neige!

Schenk' deinen Frieden voll der Welt! Es weiche

Die Zwietracht ganz, damit nur zarte Lieder

Der frohen Eintracht mit der Unschuld Lallen

Von frommen Lippen mögen inniglich erschallen!


So weit der Ocean die Erd' umschließt, erheben

Voll Andacht Stimmen sich in dieser Stunde,

Zu feiern, Herr, dein Fest. Aus jedem Christenmunde

Strebt lauter Jubel auf, dich in dem Erdenleben

Zu grüßen neu; doch darf dir, treu ergeben

Vor jedem Welttheil, fest im Glaubensbunde,

Dich, Heiland uns'rer Welt, Europa preisen

Als hohem Mittler dir den reinsten Dienst erweisen.


Drum lenke deine Blicke, Herr, auch voller Gnade

Auf ihre Reiche, und will's dir gefallen,

Auf unser deutsches Vaterland hierbei vor allen;

Verbinde du den Sinn, nach deinem heil'gen Rathe,

Von seinen Söhnen, daß im rechten Pfade

Der Einigkeit sie sicher wallen,

Als Brüder, jeder treu den andern achtend,

Als Glied von einem Leibe jeder sich betrachtend!


Damit der Feinde List (zu uns'rer Schmach und Schande

Gelang's zu oft ihr) möge nicht berücken

Den deutschen Mut durch Zwietracht, leichter so zu drücken[78]

Das Joch auf unsern Nacken, schwere Sclavenbande

An unsern Arm; im eignen Vaterlande

Unthätig fesselnd ihn uns auf den Rücken;

Noch daß zu fremdem Vortheil Deutsche tragen

Die Waffen gegen Brüder, für den Feind sich schlagen.


Erhelle ihren Geist, damit sie klarer schauen,

Daß Einigkeit und Brudersinn vor Ketten

Der fremden Tirannei nur sie vermög' zu retten;

Wenn treu und brüderlich sie aufeinander bauen,

Die Hand sich reichen, fest in Nöten trauen

Dem eig'nen Mut; im Schlachtfeld lieber betten

Auf blut'ger Erde sich, als feig zu sparen

Das Leben ehrlos, um als Sclav es zu bewahren!


Lenk' unsrer Fürsten Sinn, damit sie treu die Pflichten,

Die liegen ihnen ob, als Väter üben

Das treue Volk durch keinen Uebermut betrüben,

Und aufschau'n, daß getreu auch ihren Dienst verrichten

Die, welchen sie das Amt, das Volk zu richten,

Vertrauet an, wie im Gesetz geschrieben;

Damit sie so ein rühmlich Beispiel geben,

In sich dem Volke, wie gerecht der Mensch soll leben.


Zuletzt gieb uns, o Herr, daß unser Volk erkenne

Lebendig seinen Wert, und sich nicht schätzen

Nach andrer Anschlag soll; als Sclaven fremder Götzen

Verstümm'le seine Zung'! Hinweg! das Glied, es trenne

Von uns sich, daß mein Lied es hier nicht nenne,

Gilt mehr als Männerwort ihm fremd Geschwätze!

Ach, laß uns achten stets das Schöne und das Rechte

An fremden Völkern, – doch als Freie, nicht als Knechte!

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 77-79.
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