5. Einem reisenden Mahler ins Stammbuch geschrieben

[6] Gehst hin in eine andere Welt –

Von Herzen Glück, wie's dir gefällt!

Verleih dir Gott ein fröhlich Blut,

Zur Arbeit immer frischen Muth,

Wär ich zur Stund ein reicher Mann,

Ich böth dir was geringes an;

(Obs gleich nur Quark) in dieser Welt

Im Glauben manchen noch erhält.

Da ich nichts bessers geben kann,

Nimm dreierlei zum frommen an:

Hab wahrer Künstler Eigensinn,

Zu mahlen nur nach deinem Sinn;

Wie Gott dir Aug und Herz gestellt,

Darnach betrachte deine Welt –

Nimm Rath und gute Meinung an;

Doch schau wer Rath dir geben kann.

Ein mancher meints von Herzen recht

Giebts drum nicht minder dumm und schlecht –

Vor allem traue der Natur;

Bist Künstler nur auf ihrer Spur:

Denn ohne sie was ist die Kunst?

Ein Kinderspiel – nur Müh und Dunst.

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 6-7.
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