7. Nach Hahns Abschied

[8] Ach sie singet, die brünstige Finke,

Breitet den zarten Flügel übers vollendete Nestchen,

Zwitschert, und schlummert zum erstenmal wonniglich ein.


Und du, mein Freund, ferne! ferne!

Schüttle den Thau, wehender Nachthauch! ich schaure!

Schüttl', ach schüttl' ihn mir,

Das ich senke diese reisende

Dem Herzen entquellende Zähre

Auf der Viole ... Hat ers gehört?

O des Zärtlichen! er hats gehört!

Murmelt und schüttelt – – Meine Thräne

Gleitet sachte die Wang' herab!


Ach kein Mädchen! kein Freund!

Kein Zärtliches, Zärtlicher ach!

Der ich sie breche,

Dem ich sie gebe,

Diese dir thränenbethaute Viole!
[8]

Und so muß sie einsam welken,

So geschmückt mit meiner Wehmut

Sterben, unbetrauret, ungeliebet, ach!


Mag sie doch – sinken, liegen, im Winde verstieben!

Meine Wehmut mit ihr!

Bist du doch glücklich, Geliebter!

Geliebt am Herzen derer, die meine Seele liebt!


Ha! dieß wilde, pochende,

Dieß unaufhaltsamfliegende,

Dieß ängstlichtragende, mitfühlende Herz!

Das, unglückselig ewig,

Barbarisch immer aufnimmt und trägt!

Wie's drängt! wie's tobt! dir vorwärts nacheilt,

Und mich peinigt und quält,

Und meine Sinnen zerrüttet,

Und mir die Nerven zerreißt!


Wachst zu Einem Freund', ihr Freunde!

Ach Seligkeit des Himmels

Träufelt nieder dem,

Der des Geliebten Busen umschlingt!

O ich weine, da du, Trunkner,

Da du, Seliger,

An Leopold Stolbergs Busen dich knüpfst!


Genieße! und gedenke meiner!

Ha! gedenke meiner, wenn du thränenschauernd

Unter der Liebe Fülle versinkst,

Und du am Herzen liegest dem –

O wie soll ich ihn nennen![9]

Vater! Freund! Vater!

Klopstock! Klopstock! Ihm!


Wenn du an ihm hängst,

Und herzerdrückend und malmend

Ueber dir die Wonne liegt,

O dann reisse dich auf, athm' und schaure,

Und gedenke deines Einsamen hier;

Und, indem du noch einmal

Die geliebte Stirn drückst,

Gedenke deines Einsamen hier,

Und wehmüthig und leise so:


Der, der jetzt noch um mich klaget

Schmachtend den Frühling verseufzt,

O des einsamen Jünglings!

Er liebt dich ewig, wie ich!

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 8-10.
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