Der Bruder Brandenburger.

[165] Ei, grüß dich, Broder Straßburger,

Mir freut's, daß ich dir sehe!

Vielleich weiß du noch nich einmal,

Daß ich aus Landshut jehe.

Der Master und die Masterin,

Da könnt ich gar nicht klagen,

Doch mit den Aquademigern

Kann ich mich nich vertragen.

Denk nur, nächst war ich auf das Zoll

Mit meinem Mädigen gewesen,

Da schimpften sie mich Handwerksschroll

Und sie 'nen flotten Besen.

Und als ich tanzen wollt mit ihr,

Da stampten sie mit Füssen,

Der Aene setzt sein Bän mir für,

Da hab ich fallen müssen.

Nächst saßen wir beim Förmerbräu

So unser sehn (zehn) beisammen,

Und sangen ein schön Lied darbei,

Als sechs Studenten kamen.[166]

Die satzten sich an unsern Tisch

Und wollten uns vertreiben.

Sie farzten da ganz ungarisch,

Wir konnten nicht mehr bleiben.

Heut ging ich auf der Promernad

Mit meinem Schatz spazieren,

So schön als mir das Mädigen that,

Zu Thränen wollt's mich rühren.

Da kam ein Bursche angerannt:

»Herr Geisbock woll'n S' erlauben!«

Nimmt mir das Mädigen von meiner Hand

Und fort mit – kannst du's glauben?

Und wiederum ein andermal

Da stand ich Nachts um zweie

Vor ihrem Kammerfenstrigen

Und schwur ihr Lieb und Treue.

Da öffnet sich ganz mäuschenstill

Ein Fenster ober ihren,

Ein Nachttopp goß sich für mich aus,

Da stank ich sum Krepiren.

Ein Bursche war's, ich hab es wohl

Des andern Tags erfahren,

Allein was half's, was konnt ich thun,

Die Kleider smuzig waren.[167]

Das Mädigen das taucht auch nich viel,

Herr Broder, ich laß sie laufen;

Sie lachte selbsten in der Still,

Als ich schier wollt ersaufen.

Was thun si mir nich neuligmal

Am Hofberg in der Schenke!

Da legt' ich meine Feife hin

Und nun, Herr Broder, denke:

Dieweil ich auf dem Abtritt war,

Füllt Kopp und Wassersacke

Mit Polver ein Studente voll

Und ob'n etwas Tabake.

Ich komm herein, nimm Fidibum

Und fange an zu rauchen;

Es konnte, bis der Tabak war

Verbrannt nicht gar lang brauchen.

Auf ämol gebt's als wie der Blitz,

Ich denk's noch viele Jahre;

Es schlägt mir 'nunter von mein Sitz,

Verbrannt mir Bart und Haare.

Ein weißblaurothes Band hat' ich

Zum Jahrmarkt mir gekaufet,

Da hing ich meine Sachuhr d'ran,

Daß sie mir nich entlaufet.[168]

Da kam ein Bursche wie ein Gaul

Und fing mich an zu hetzen,

Der schlagt die Sachuhr mich um's Maul

Und reißt mein Bändigen in Fetzen.


Drum sag mir Broder Straßburger,

Was hab ich hier vor Freuden?

Was soll der Handwerksbursche denn

So gar viel Uebles leiden.

Auch d'Mädigen halten sich so sehr

An diese Flastertreter;

D' Studenten setzten Kinder her

Und wir, wir wär'n die Väter.


Drum lebe wohl, du schöne Stadt!

Ich muß dich jetzt verlassen;

Das so viel schöne Häuser hat

Und weit mehr schöne Gassen.

Leb wohl, du schönste Herberg mein!

Herr Vater, wohl zu leben!

Und d'Jongfer Schwester hübsch und fein

Muß mir ein Busigen geben.


Leb wohl, du schönster Martinsthurm,

Der mich so sanft belächelt![169]

Lebt alle wohl, Studentenhur'n,

Die mich so sehr gehechelt!

Herr Master und ihr Nebensgeselln,

Thun's nich auf mich vergessen,

Und grüßen's mer die Masterin,

I dank vor Kost und Essen.


Und nun Herr Broder is genug,

Es geht schon auf halb dreie;

Nun hol' ich mich mein Wanderbuch

Ob'n auf der Pulizeie.

Ich reise über Zürch nach Bern

Und hoff alldort zu bleiben,

Und sollt mein Mädigen schwanger wern,

So mußt du mir gleich schreiben.


Dann reiß ich in das Hungerland,

Vieleich nach Siebenbürgen;

Nach Bayern geh'n ich dann nich mehr,

Eh' ließ ich mich erwürgen;

Denn daß ich sollte Vater sein

Von än Studenten-Ginde,

Da müßt' ich wohl ein Esel sein,

Ein Gerl wie än Rinde.
[170]

Dem Hinterpommrer bisch so gut

Ein schönen Gruß zu sagen,

Ob er mir nich bis Essenbach

Wollt meinen Bündel tragen;

Er soll nur vor der Herberg Thor

Auf mich ein Bisigen passen;

Komm ich am Pulizei bald vor,

So zieh'n wir bald die Straßen.

Herr Vater, unsere Schuldigkeit,

So will ich gleich bezahlen;

»Herr Broder nein, das laß ich mir

Vor dießmal nich gefallen;

Wenn du mich als ein Freund betrachtst,

So bitt ich dich vor Allen,

Daß du mir keine Flares machst

Und läßt die Sech mir zahlen«,

Nun, wenn du's denn nich anders thust,

So muß ich drein mich geben;

Aude, Herr Broder, nimm dein Glas,

Dein Mädigen soll leben!

Sei froh, daß sie nich hier zu Ort,

In Nürnberg isch sie besser;

Es sind doch kein Studenten dort,

Die Töbels Eisenfresser.


Quelle:
D. C. Müller: Gedichte, Aufsätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Rorschach 1853, S. 165-171.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anselm von Canterbury

Warum Gott Mensch geworden

Warum Gott Mensch geworden

Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.

86 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon