Ein Andrer

[42] Wenn du wandelst auf der Prager Brücken,

Thut vor dir Sankt Nepomuk sich bücken,

Und die Arme hebt er auf zum Segen

Deiner schwarzen Schelmenaugen wegen.


Ach, wie soll man heut' ein Heil'ger werden,

Wo's ein solches Mädel giebt auf Erden?

Aus dem Himmel liefen Gottes Engel,

Um zu küssen deine Rosenwängel.


Und ich sollt' mit meiner armen Seelen

Fort von dir mich in den Himmel quälen,

Um von oben mit betrübten Blicken

Grüße dir hinunter zuzunicken?


Meiner Fiedel Saiten sind zersprungen,

Als ich dir das Abschiedslied gesungen.

Sag', wie soll mein Herz doch diese Plagen,

Ohne zu zerreißen, still ertragen?

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 42.
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