Der Prager Musikant

[40] Mit der Fiedel auf dem Rücken,

Mit dem Kappel in der Hand,

Ziehn wir Prager Musikanten

Durch das weite Christenland.


Unser Schutzpatron im Himmel

Heißt der heil'ge Nepomuk,

Steht mit seinem Sternenkränzel

Mitten auf der Prager Bruck.


Als ich da hinausgewandert,

Hab' ich Reverenz gemacht,

Ein Gebet ihm aus dem Kopfe

Recht bedächtig hergesagt.


Steht also in keinem Büchel,

Wie man's auf dem Herzen hat:

Wanderschaft mit leerem Beutel,

Und ein Schätzel in der Stadt.


Wenn das Mädel singen könnte,

Wär's gezogen mit hinaus,

Doch es hat 'ne heisre Kehle,

Darum ließ ich es zu Haus.


Ei, da gab es nasse Augen,

'S war mir selbst nicht einerlei:

Sprach ich: 'S ist ja nicht für ewig,

Schönstes Nannerl, laß mich frei!


Und ich schlüpft' aus ihren Armen,

Aus der Kammer, aus dem Haus,

Konnt' nicht wieder rückwärts schauen,

Bis ich war zur Stadt hinaus.


Da hab' ich dies Lied gesungen,

Hab' die Fiedel zu gespielt,

Bis ich in den Morgenlüften

Auf der Brust mich leicht gefühlt.
[41]

Manches Vöglein hat's vernommen:

Flög' nur eins an Liebchens Ohr,

Säng' ihr, wenn sie weinen wollte,

Dieses frische Liedel vor!


Wenn ich aus der Fremde komme,

Spiel' ich auf aus anderm Ton,

Abends unter ihrem Fenster:

Schätzel, Schätzel, schläfst du schon?


Hoch geschwenkt den vollen Beutel,

Das giebt eine Musika!

'S Fenster klirrt, es rauscht der Laden,

Heilige Cäcilia!


All' ihr Prager Musikanten,

Auf, heraus mit Horn und Baß,

Spielt den schönsten Hochzeitreigen!

Morgen leeren wir ein Faß.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 40-42.
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