[80] Valeros von Otto mitten in den Saal geführt.
OTTO.
Sieh dich um! – Gefällt dir's hier?
VALEROS.
Sehr.
OTTO.
Das ist der span'sche Saal;
Links und rechts die span'schen Zimmer.[80]
Gräfin Jerta nennt sie immer
So, und theuer sind sie ihr.
Ihre Mutter ist einmal
Lang' in unserm Land gewesen;
Diese hat mit vieler Müh'
Die Tapeten ausgelesen,
Und die Bilder, die du siehst,
Malen lassen. –
Zeigend.
Das da ist
Talavera.
VALEROS nachdem er es angesehen.
In der That!
OTTO vor einem andern Gemälde.
Das hier ist der Mont perdu.
Schau', ein Berg von solcher Höh',
Daß nie oben schmilzt der Schnee,
Niemand ihn erstiegen hat.
VALEROS.
Kenn' ihn.
OTTO.
Ist dir auch bekannt,
Daß er ist der Diamant
In der Pyrenäenkette,[81]
Die Europa's Halsband ist?
VALEROS lächelnd.
Wer hat so ihn dir genannt?
OTTO.
Wer? – Ich weiß nicht, wie du bist
Als ob ich gelernt nicht hätte,
Daß Europa ist ein Weib;
Andre Länder sind der Leib,
Und wir Spanier das Gesicht.
Darum sehn wir stolz hernieder
Auf die andern, schlechtern Glieder.
VALEROS.
Sieh, der Kastilianer spricht
Aus dem Knaben schon.
OTTO.
Dem Knaben?
Leider gelten hier dafür
Alle, die mein Alter haben,
Und fürwahr, sie sind's auch hier.
Mit Selbstgefühl.
Unter unserm Sonnenlicht
Reifen früher alle Gaben.
[82] Zu einem dritten Gemälde tretend.
Diesen Ort hier kennst du nicht;
Es ist eine kleine Stadt,
Die Gesundheitswasser hat,
Liegt in Frankreich. Dort auch war
Jerta's Mutter.
VALEROS.
Sonderbar!
's ist Barège!
OTTO.
Kennst du sie?
Sie gefällt mir nicht so, wie
Talavera.
VALEROS beklommen.
O, mir auch nicht!
Vor sich.
Muß ich hier mit neuem Schmerz
In die finstre Thalschlucht schauen,
Wo der Aberglaube zum
Unnatürlichsten Beginnen
Eine edle Seele trieb?
Jene Prophezeihung und[83]
Dieser schreckliche Verdacht –!
Eins, Gott sei gelobt! muß lügen.
OTTO.
Du verfällst in Traurigkeit
In dem schön verzierten Saale?
Das wird Hugo leid thun, mein' ich.
VALEROS aus der Zerstreuung auffahrend.
Wem?
OTTO.
Dem Grafen. – Dir zu Ehren
Ließ er diesen Flügel öffnen!
In den Zimmern sollst du wohnen,
Und in diesem Saale will er
Diesen Abend mit dir seyn,
Und mit Jerta und Elviren.
VALEROS.
Ist er völlig wieder wohl?
OTTO.
Ziemlich. – Aber sagt' ich dir's
Nicht: du solltest schweigen – ihm
Nicht von meinem Vater sprechen?
Das verträgt er einmal nicht.[84]
VALEROS.
Das ist seltsam.
OTTO.
O, ich weiß
Wohl warum?
VALEROS angelegentlich.
Du weißt es? Rede!
OTTO.
Vater starb zu einer Zeit,
Wo der Graf sein Leben
Hätte d'rum gegeben,
Daß er nicht gestorben wäre.
VALEROS.
Woher weißt du das?
OTTO.
Sie waren
Gute Freunde, seit fünf Jahren,
Wo der Graf in uns'rem Land
Ankam, fremd und unbekannt.
VALEROS.
Wirklich?[85]
OTTO.
Ja, der Vater hatte
Ihn so lieb beinah, wie mich.
VALEROS.
Und der Graf?
OTTO.
Der Graf ihn wieder.
VALEROS.
Meinst du?
OTTO.
Lieber noch als sich;
Denn er wagte ja sein Leben
Offenbar für Karlos d'ran.
VALEROS.
That er das?
OTTO.
Das will ich meinen!
VALEROS.
Wo und wie?
OTTO.
Nun hör' nur an:
's war ein Stiergefecht, ein kleines,[86]
Wo das Thier blos wird gehetzt.
Eh' das Spiel noch angefangen,
Stieg der Vater vom Balkon
Mit verschied'nen fremden Damen,
Welche dieß und jenes wollten
In der Nähe sehn, hinab
In den Zwinger. – Plötzlich sprang,
Schlecht verriegelt, auf die Thür
Von dem Stall.
»Der Stier, der Stier!«
Schrie's dort und hier;
Die Damen all
Entflohn geschwind,
Und warfen, furchtsam wie sie sind,
Am Zwinger vorn
Die Thür in's Schloß.
»Die Hunde los!«
Ward nun geschrien,
Doch nicht gethan.
Das Unthier schoß,
Gesenkt das Horn,
Auf Karlos an;[87]
Warf nieder ihn,
Und schrecklich dringt:
»Er ist verloren!«
In unsre Ohren.
Auf einmal springt
Schnell wie der Blitz
Vom hohen Sitz
Hinab der Graf –
VALEROS einfallend.
Ah! das war brav!
OTTO.
Und zieht den Degen
Und fällt verwegen
Zur Seite den wüthenden Ochsen an.
Der wandte sich,
Und er kam d'ran;
Allein der Stich,
Den er gleich Anfangs ihm gegeben,
War eingedrungen bis auf's Leben;
Und wie ihn eben
Der Stier durchbohren will,
Da stürzt er mit Gebrüll[88]
Zu seinen Füßen nieder,
Zucket und streckt die gewaltigen Glieder,
Und von »Bravo!« schallt die Gegend wieder.
VALEROS.
Sahst du selbst –?
OTTO.
Ich war dabei.
VALEROS vor sich.
Ja, das löscht den Argwohn aus,
Und ich athme wieder frei
In dem ahnungsvollen Haus.
Zu Otto.
Habe Dank für die Beschreibung
Solcher spanisch-edlen That.
OTTO.
Was der Graf für Karlos wagte,
Hätte dieser auch gethan.
Sieh, und dennoch konnten solche
Freunde sich entzweien –
VALEROS.
Was?
Glimmt der böse Funke wieder?[89]
Wie geschah's?
OTTO.
Das weiß ich nicht.
Als der Vater stürzte, war es
Drei, vier Tage, daß sie sich
Zürnend nicht gesehen hatten.
Das nun eben quält den Grafen,
Daß sein Freund hat sterben müssen,
Eh sie wieder einig waren.
VALEROS halb vor sich.
Das, ja, oder – das Gewissen.
OTTO.
Darum stürzt' er, außer sich,
Selber einer Leiche ähnlich,
Auf des Vaters Leiche hin.
»Karlos, bist du unversöhnlich?«
Jammert' er, und küßte ihn,
Und umarmte weinend mich,
Bis erschöpft er niedersank.
VALEROS.
Weinend, sagst du?
Vor sich.
Hm, gewöhnlich
Weinen Meuchelmörder nicht.[90]
OTTO.
Darum macht's ihn trüb' und krank,
Wenn man von dem Unfall spricht,
Der, so sehr er's schien zu lieben,
Ihn aus Spanien hat vertrieben.
VALEROS vor sich.
Seltsam! Wie mit ungewissem
Kriegsglück theilen Lieb' und Haß
Meines Busens engen Raum
Um den Menschen.
OTTO.
Horch! er kommt.
Nun will ich euch Jerta senden,
Die sich sehnet, dich zu sehn.
Ab.
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