An ein Dorf

[56] How happy he who crowns in shades like these,

A youth of labour with an age of ease!

Goldsmith.


Edens Blumen blühn in deinen Thalen,

Edens Silberquellen

Schlingen sich durch deine Schattenhaine,

Buschumkränztes Dörfchen!


Gottes Friede schwebt um deine Hütten,

Wenn der Morgenröthe

Rosenfarbner, goldbesäumter Schleier

Lieblich dich umwallet.


Gottes Friede schwebt um deine Hütten,

Wenn die Nachtigallen,

Im Getön der dumpfen Abendglokke,

Schlummerlieder flöten.


In der Dämmrung deiner Bäume wandeln,

Arm in Arm geschlungen,

Schwesterlich wie einst im Garten Adams,

Seelenruh und Unschuld.
[56]

An der Himmelstöchter Busen trinken

Mädchen, Greis, und Jüngling,

Nach des schwülen Erntetages Mühen

Kraft und süsse Labung.


Unter deinen Halmendächern wohnen

Zucht und deutsche Treue,

Sie, die stolzer Marmorsäle wildes

Lustgetümmel fliehen.


Sittsamkeit ist deiner Töchter Erbe,

Gleich des Maienmorgens

Purpur, glüht in keuscher Jugendröthe

Ihre holde Wange.


Edel sind und kraftvoll deine Söhne!

Ihrer starken Rechte,

Ungeschwächt vom Feuerhauch der Wollust,

Blüht die öde Wüste.


O daß mir, o Dorf, in deinen Schatten

Meines Lebens Bächlein

Ungesehn verränne, rein wie jener

Wiesenquelle Silber.


O daß endlich hier am treuen Busen

Eines edlen Weibes,

Die beweinte, längstverlorne Ruhe

Wieder mich umarmte!


Dort am Abhang jenes Blumenhügels,

Wo durch Erlenreihen

Silberblinkend sich das Bächlein windet,

Wo die Linde flüstert,


Wo die Eiche Dämmrung streut und Kühle,

Wo des Thals Gesträuche

Ihre grünen Lokken in des Seees

Blauen Fluthen spiegeln,


Stünde meine weinumrankte Hütte,

Grünte meine Laube,[57]

Blühten meines Blumengartens Beete,

Reiften meine Saaten.


Jenes Buchenhaines Frühgesänge

Wekten mich am Morgen,

Jenes Apfelbaumes Nachtigallen

Tönten mich in Schlummer!


Aber ach! der Hofnung Aug' ist trübe!

Tief der Zukunft Dunkel!

Schwebt nicht auf des Weltgewimmels Wogen

Unstät noch mein Nachen?


Starb der Freude leztes, süsses Lächeln

Nicht an Laura's Grabe?

Welkte nicht ihr Kranz, der lebenduftend

Meine Schläf' umblühte?


Viel hab' ich geweint, und viel gerungen,

Viel der Stürm' erduldet!

Mancher Lenztag meiner Jugendzeiten

Schwand mir gramumdüstert!


O! wann wird die Nacht der Schwermuth tagen?

Wann die Stund' erscheinen,

Die mich dir entgegen bringt, o Dörfchen,

Oder meinem Grabe?

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 56-58.
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