Der Grabstein

[119] Bemooster Stein, im heiligen Gefilde

Der Aussaat Gottes, sei mir froh gegrüßt!

O du, auf den des Abendhimmels Milde

So freundlich sich ergießt!


Seit Jahren schweigen dir die Klagetöne

Des Freundes schon; auch sein Gebein ist Staub!

Dir streut kein Mädchen mehr, mit frommer Thräne,

Des Frühlings Erstlingslaub!


Wer nennt mir deinen Schlummrer! Halbverwittert,

Blieb dir des Todtenkopfes Zierde nur,

Die Schrift erlosch, und Wintergrün umzittert

Des Namens dunkle Spur!
[119]

Dir eil' ich zu, des Weltgetümmels müde,

Wann durchs Gebüsch die Abendröthe bebt,

Altar der Hofnung! wo Jehovas Friede

Auf Engelflügeln schwebt!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 119-120.
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