Die Trennung

[120] An Henriette.


Wann der bängste meiner Erdentage,

Furchtbar wie das Weltgericht, erscheint,

Dann, du weichgeschaffne Seele, klage

Mitleidsvoll um den verlaßnen Freund!


Düster werden seine Jahre schwinden,

In Gefilden, wo kein Blümchen sprießt,

Bis im Schatten stiller Kirchhoflinden

Seinen Staub die Rasengruft umschließt.


In der Schwermuth schauervollen Hainen

Wird dem Traurenden dein liebes Bild,

Wie ein Engel Gottes oft erscheinen,

In der Hofnung Morgenroth gehüllt!


Ruh' wird dann ins bange Herz ihm sinken,

Trost von Gott auf ihn herunterwehn!

Wo den Lichtquell die Verklärten trinken,

Freundin! werden wir uns wiedersehn!


Wall' indeß des Lebens dunkle Thale,

Frommes Mädchen, sonder Harm und Leid,

Wie ein Stern aus bessern Welten strale

Dir der Glaube der Unsterblichkeit!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 120.
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