51. Der faule Frieder.

[181] Da dienten einmal bei einem Schullehrer zwei Knechte, davon hieß der eine Matthes, der andre Frieder. Der Matthes war fleißig, der Frieder aber mochte gar nicht arbeiten. Da sagte ihm endlich der Schullehrer: er solle doch in die Kirche gehen und die Mutter Gottes anrufen, so bekomme er wohl Brod, ohne zu arbeiten und brauche nicht mehr zu dienen. Der Rath gefiel ihm und er begab sich in die Kirche, um zu beten. Der Matthes aber schlich heimlich hinter ihm her, und als er nun zur Maria rief und sprach: »ach Maria, Mutter Gottes, gib mir doch Brod, ich mag nicht schaffen!« da rief der Matthes aus einem Winkel, wo er sich versteckt hatte: »wer nicht arbeitet, soll auch nicht eßen!« Darauf lief der Frieder ganz erschreckt nach Haus und erzählte dem Schullehrer, wie es ihm ergangen war und sagte, daß ein Geist in der Kirche sei. Der Schullehrer aber wollte das nicht glauben und sagte, er solle nur noch einmal recht ordentlich beten. Das that er denn auch; allein der Matthes hatte sich wieder hingeschlichen und rief, als der Frieder ausgebetet hatte: »wer nicht arbeiten will, soll auch nicht eßen!« also, daß der Frieder lief, was er nur laufen konnte und Alles dem Schullehrer erzählte. Der meldete den Vorfall sogleich dem Pfarrer; der war eben krank an der Fußgicht und konnte nicht gehen, ließ sich daher in die Kirche tragen, um den Geist zu beschwören. Der Frieder mußte ebenfalls in die Kirche und sein Gebet an die Maria noch einmal sprechen. Da antwortete aber zum dritten[182] Mal der Matthes aus seinem Hinterhalte: »wer nicht arbeiten will, soll auch nicht eßen!« Da begann der Pfarrer von der Kanzel herunter also:


»Geist, Geist, ich beschwöre Dich

Beim Elemente!«


Da schrie aber der Mathes ganz fürchterlich:


»Und ich freße Dich

Beim Sakramente!«


Darüber entsetzte sich der Pfarrer dermaßen, daß er plötzlich gehen konnte und von der Kanzel sprang und nach Haus lief und von seiner Fußgicht kurirt war. Ob's aber auch den Frieder von seiner Faulheit kurirt hat, das weiß ich nicht.

Quelle:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Stuttgart 1852, S. 181-183.
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