52. Hans holt sich eine Frau.

[183] Es waren einmal drei Brüder, von denen wollten zwei auf Reisen gehn, um sich eine Frau auszusuchen. Sprach die Mutter: »nehmt nur auch den Hans mit; denn für sich allein bekommt der sonst doch nie ein Weib.« Der Hans nämlich der war der jüngste und war über die Maßen dumm. Da nahmen ihn endlich die Brüder mit, verlangten aber, daß er ihnen überall folgen müße. Ja, das wollte er auch. – Nun besuchten sie zuerst ein Wirthshaus, darin[183] war ein hübsches Mädchen; sie sagten aber vorher dem Hans, er solle ihnen hier nur keine Schande machen und nicht so viel eßen wie zu Haus; deshalb wollten sie ihm ein Zeichen geben und unter den Tisch klopfen, wenn er genug habe und aufhören müße. Ja, der Hans wollte wohl Acht geben und sich genau danach richten.

Da trug sich's zu, als sie in dem Wirthshause bei Tisch saßen und dem Hans die Linsensuppe gar zu gut schmeckte, daß der Hund unter dem Tische mit seinem Schwanze unter die Tischdecke schlug, also, daß der Hans meinte, seine Brüder gäben ihm das verabredete Zeichen und alsbald seinen Löffel niederlegte und nicht mehr eßen wollte, so sehr ihn auch die Wirthin und ihre Tochter dazu nöthigten. Auch die Brüder forderten ihn auf, er solle nur noch mehr eßen; allein Hans meinte, sie sagten das nur so, damit die Wirthin nichts von dem gegebenen Zeichen merken sollte. Er hatte aber in der That erst sehr wenig gegeßen. Deshalb sagte er zu seinen Brüdern, als sie zu Bett gehen wollten: »ich halt's nicht aus, ich muß noch etwas zu eßen haben!« Da verspotteten sie ihn noch, daß er durch den Hund sich hatte täuschen laßen, sagten aber, wenn er's gar nicht aushalten könne, so solle er nur in die Küche gehen, dort stehe noch eine ganze Schüßel voll Linsen. Da machte Hans sich auf den Weg und fand auch richtig in der Küche die Linsenschüßel und aß sie rein aus mit seiner Hand, kam dann zu den Brüdern zurück und wollte am Betttuch sich abtrocknen; die Brüder aber schickten ihn fort an den Brunnen, dort solle er sich erst waschen. Hans gieng hin und fand am[184] Brunnen einen Krug, der mit Waßer gefüllt war, steckte seine Hand hinein und spülte sie drin ab, konnte sie aber nicht wieder herausbringen, weil er sie zusammenballte. Deshalb kam er mit dem Kruge zu seinen Brüdern und klagte ihnen seine Noth. Sie sagten ihm aber: »ei, so zerschlag ihn doch am Brunnen, da wird er schon heruntergehen!« Das that er denn auch.

Als Hans nun eben den Krug zerschlagen hatte, kam die schöne Wirthstochter und wollte noch einen frischen Trunk für die Nacht holen. Hans aber nicht faul, faßte das Mädchen mit seinen starken Armen und trug's schnell fort zum Dorf hinaus, es mochte sich wehren und schreien, so viel es wollte, und kam nach wenigen Stunden damit zum Hause seiner Mutter und sagte: »da hab' ich eine Frau!« daß die Mutter sich nicht genug verwundern konnte. Dann gieng er zu Bett und die Wirthstochter mußte an seiner Seite liegen. Da schnarchte der Hans nun bald aus Leibeskräften, daß es dem armen Mädchen schier angst wurde und sie dachte: »ach, wärst du nur erst wieder fort und bei deiner Mutter!« – Endlich, als auch Hans seine Mutter fest schlief, stand sie ganz sacht auf und schlich sich aus der Kammer und suchte durch den Ziegenstall aus dem Hause zu kommen. Vorher aber band sie erst die Ziege los und führte sie in die Kammer und legte die dem Hans in's Bett; dann machte sie, daß sie fort kam.

Als Hansens Mutter am andern Morgen aufwachte, rief sie: »Hans, Hans, lieber Hans, hast Du auch deine Frau noch?« Da erwachte der Hans aus seinem gesunden[185] Schlafe und sprach: »ich will mal zufühlen!« und langte zur Seite und sagte: »ja Mutter, sie ist noch da; aber sie ist ganz haarig.« – »Ach Narr, sprach die Mutter, das kommt Dir nur so vor!« –»Nein Mutter, sagte Hans, ich habe noch mal zugefühlt, sie ist über und über voller Haare!« – »Ach Hans, Du bist nicht recht gescheidt, sagte die Mutter, fühl nur recht zu!« Da fühlte der Hans noch einmal hin und sagte: »ach Mutter, sie hat auch ein Horn!« »Um Gottes willen, rief die Mutter, das wird doch der Teufel nicht sein!« – »Ach Mutter, sie hat zwei Hörner!« sagte Hans nach einer Weile und konnte das gar nicht begreifen. Die Mutter aber stand auf und zündete ein Licht an, und meinte nicht anders, als daß es der leibhaftige Teufel sei und besprengte ihn mit Weihwaßer, auf daß er ihr und ihrem Hans keinen Schaden zufügen könne.

Als es endlich Tag wurde, erkannte die Mutter ihre Ziege und führte sie wieder in den Stall. – Hans aber sagte, er wolle es wohl bleiben laßen, sich noch einmal eine Frau zu holen, weil diese ihm sogleich wieder davon gelaufen sei.

Quelle:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Stuttgart 1852, S. 183-186.
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