Capitel 23.
Wie mein arm Töchterlein soll mit der peinlichen Frag beleget werden.

[168] Als nunmehro Akta an Ein lobsam Hofgericht verschicket worden, währete es wohl an die 14 Tagebevorab Antwort kam. Und war Se. Gestrengen der Amtshaubtmann sonderlich freundlich gegen mich, erlaubte auch, da das Gericht wieder heimbgekehret, daß ich mein Töchterlein so oft sehen kunnte, als ich begehrete, wannenhero ich den größten Theil des Tages umb sie war. Und, wenn dem Büttel die Zeit zu lange währete, daß er auf mich passen mußte gab ich ihm ein Trinkgeld, und ließ mich von ihm mit meim Kind einschließen. Auch war der barmherzige Gott uns gnädig, daß wir oft und gerne beten mugten. Denn wir hatten wieder eine steife Hoffnung und vermeineten, daß das Creuz, so wir gesehen, nun bald wäre fürübergezogen und der grimmige Wulf schon seinen Lohn bekommen würde, wenn ein lobsam Gericht Acta einsähe, und an die fürtreffliche Defension gelangete, so Dn. Syndicus vor mein Kind gefabriciret. Darumb fing ich auch wieder an aufzuheitern, zumalen als ich sahe, daß meinem Töchterlein die Wangen sich gar lieblich rötheten. Doch am Donnerstag den 25sten mensis Augusti umb Mittag fuhr Ein ehrsam Gericht abereins auf den Schloßhof, als ich mit meim Kind nach meiner Weis' wieder im Gefängnüß saß und die alte Ilse uns die Kost brachte, so aber für Thränen uns die Nachricht nicht geben kunnte. Aber der lange Büttel schauete lachend zur Thüren herein und rief: »ho ho, nu sind se da, nu wadd dat Ketteln wohl los gahn1« worüber mein arm Kind sich schudderte2 doch mehr über den Kerl denn über die Botschaft. Selbiger war auch[168] kaum fortgangen, als er schon wieder kam, umb ihr die Ketten abzunehmen und sie abzuhohlen. Folgete ihr also in das Gerichtszimmer, wo Dn. Consul die Sentenz Eines lobsamen Gerichtes fürlas, daß sie über die gefaßten Artikul noch einmal in Güte sölle gefraget werden, und bliebe sie verstockt, wäre sie der peinlichen scharfen Frag zu unterwerfen, denn die beigebrachte Defension haue nicht aus, besondern es wären, indicia legitima praegnantia et sufficientia ad torturam ipsam3 fürhanden als:


1) mala fama4

2) maleficium, publice commissum5

3) apparitio Daemonis in monte6


wobei Ein Hochlobsam Hofgericht an die 20 Autores citiret, wovon wir aber wenig behalten. Als Dn. Consul solches meinem Töchterlein fürgelesen, hub er wiederumb an, sie mit vielen Worten zu vermahnen, daß sie müge in Güte bekennen, denn die Wahrheit käme jetzunder doch an den Tag.

Hierauf gab sie standhaft zur Antwort: daß sie nach der Defension Dn. Syndici zwar ein besser Urtel gehoffet; allein, da es Gott gefiele, sie annoch härter zu prüfen, beföhle sie sich ganz in seine gnädige Hand und könne sie nicht anders bekennen, denn sie vorhero gethan, daß sie nämblich unschuldig sei und böse Menschen sie in dies Elend geführet. Hierauf winkete Dn. Consul dem Büttel, welcher aus der andern Stuben Pastorem Benzensem7 in seinem Chorrock hereinließ, so von dem Gericht bestellet war, umb sie noch besser aus Gottes Wort zu vermahnen. Selbiger thät einen großen Seufzer und sprach: »Maria, Maria, wie muß ich dich wiedersehen!« worauf sie anhub gar heftig zu weinen, und ihre Unschuld abermals zu betheuern.[169] Aber er kehrete sich nicht an ihren Jammer, besondern nachdem er sie hatte das »Vaterunser, Aller Augen und Gott der Vaterwohn uns bei« beten lassen, hub er an ihr den Gräuel fürzustellen, den der lebendige Gott an allen Zauberern hätte, angesehen ihnen nicht nur im alten Testamente die Strafe des Feuers wäre zuerkannt worden, sondern auch der heilige Geist im N. Testament ausdrücklich sage, Gall. am fünften: daß die Zauberer nimmer würden das Reich Gottes erben, sondern ihr Theil würde sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet, welches ist der andere Tod Apocal. 21. Sie möge also nicht trotziglich sein, noch dem Gericht die Schuld geben, wenn sie also geplaget würde, denn das Alles geschähe aus christlicher Liebe und umb ihre arme Seele zu retten. So müge sie denn umb Gottes und ihrer Seeligkeit willen nicht länger ihre Buße verschieben, ihren Leib martern lassen, und ihre arme Seele dem leidigen Satan übergeben, welcher ihr doch nicht in der Höllen halten würde, was er ihr hier auf Erden versprochen, denn er wäre ein Mörder von Anfang und ein Vater der Lügen Joh. am 8ten. O, Maria rief er aus mein Kindlein, die du so oft auf meinem Schooß gesessen und für die ich jetzunder alle Morgen und Abend zu meinem Gotte schreie, wiltu mit dir und mir kein Erbarmen tragen, so trage Erbarmen mit deinem rechtschaffenen Vater, den ich für Thränen nicht ansehen kann, da sein Haar in wenig Tagen schlooweiß geworden, und rette deine Seele mein Kind, und bekenne! Siehe dein himmlischer Vater betrübet sich anjetzo nicht minder über dich, denn dein leiblicher Vater, die heiligen Engel verhüllen für dir ihre Augen daß du, die du einst ihr lieblich Schwesterlein warest, nunmehro eine Schwester und Braut des leidigen Teufels worden bist. Darumb kehre umb und thue Buße! Dein Heiland rufet dich verirrtes Lämmelein heute wieder zurück zu seiner Heerden. Sollte nicht gelöset werden diese, die doch Abrahams Tochter[170] ist, von den Banden, welche Satanas gebunden hat, lautet sein barmherzig Wort Lukas am dreizehnten; item: kehre wieder zuabtrünnige Seele, so will ich mein Antlitz nicht gegen dich verstellen, denn ich bin barmherzig, Jeremias am dritten. So kehre denn wieder du abtrünnige Seele zu dem Herrn deinem Gotte! – Der eines abgöttischen Manasses sein bußfertiges Gebet erhöret 2. Chronika 33. der die Zäuberer zu Ephese durch Paulum zu Gnaden aufgenommen Act. 19, Derselbige dein barmherziger Gott rufet dir anjetzo zu, wie dorten dem Engel der Gemein zu Epheso gedenke wovon du gefallen bist und thue Buße Apocal. 2. O, Maria, Maria, gedenke wovon du gefallen bist mein Töchterlein und thue Buße! –

Als er hierauf stille schwieg, währete es eine fast große Zeit, ehebevor sie für Thränen und Schluchzen ein Wörtlein herfürbringen konnte, bis sie endlich zur Antwort gab: wenn Lügen Gott nicht minder verhaßt seind, als die Zauberein; so darf ich auch nicht lügen, sondern muß umb Gottes willen bekennen, wie ich immer bekennet, daß ich unschuldig bin.

Hierauf ergrimmete Dn. Consul in seinen Mienen und fragete den langen Büttel, ob Alles in Bereitschaft sei item die Weiber bei der Hand wären, umb Ream auszukleiden, worauf er nach seiner Weise lachend zur Antwort gab: »hoho an mir hat's noch nie malen gefehlt und soll's auch heute nicht fehlen, ich will sie schon kitzeln, daß sie bekennen soll.«

Als er solches gesaget, redete Dn. Consul wieder mein Töchterlein an und sprach: du bist ein dumm Ding, und kennest die Pein nit, so dir bevorstehet, darumb bist und bleibst du verstockt. Aber folge mir anjetzo in die Marterkammer, daß der Angstmann die Instrumenta zeige, ob du vielleicht noch einen andern Sinn bekömmst, wenn du erst gesehen, was die peinliche Frag bedeutet.

Hierauf ging er voran in ein ander Zimmer und folgete[171] ihm der Büttel mit meim Kind. Doch als ich nachgehen wollte, hielt mich Pastor Benzensis fest und beschwor mich mit vielen Thränen solches nicht zu thun, besondern hier zu verbleiben. Aber ich hörete nicht auf ihn sondern riß mich los und schwur dagegen, so lange sich noch eine Ader und Sehne in meinem armen Leib rührete, wollte ich mein Kind nicht verlassen. Kam also auch in das andere Zimmer, und von dannen in einen Keller nieder, wo die Marterkammer war, in der es aber keine Fenstern hatte, damit Niemand das Geschrei derer Geängsteten von draußen hören müge. Darumb brenneten hier bereits zween Fackeln, als ich eintrat, und wiewohlen Dn. Consul mich gleich zurückweisen wollte, ließ er sich letzlich doch erbarmen, daß ich bleiben durfte.

Und trat nun dieser höllische Hund der Büttel her für und zeigte meinem armen Kind mit Frohlocken, zuerst die Leiter sprechende:

sieh! darauf wirst du zuerst gesetzet und die Hände und Füße dir angebunden. Darauf bekommst du hier die Daumschrauben an, wovon dir gleich das Blut aus den Fingerspitzen herfürsprützet, wie du sehen kannst, daß sie annoch roth sind vom Blut der alten Gust Biehlkschen, welche vor einem Jahr gebrennet wurde, und anfänglich auch nit bekennen wollte. Wiltu dann noch nit bekennen, so ziehe ich dir hier die spanischen Stiefeln an, und seind sie dir zu groß, so klopfe ich dir einen Keil dazwischen, daß die Wade so hinten istsich nach vorne zeucht urtd das Blut dir aus den Füßen herausscheußt, als wenn du Brummelbeeren durch einen Beutel preßest.

Wiltu dann noch nit bekenne – holla! brüllete er anjetzo und stieß mit dem Fuß an eine Thür hinter ihme, daß das ganze Gewelbe erbebete, und mein arm Kind für Schreck in die Kniee fiel. Währete auch nit lange, so brachten zween Weiber einen Kessel in welchem glühend Pech und[172] Schwefel proddelte8 ließ also der Höllenhund den Kessel zur Erden setzen, hohlete unter seim rothen Mantel, so er umbhatte, eine Fledderwisch hierfür, woraus er an die sechs Posen zog und selbige alsdann in den glühenden Schwefel tunkete. Als solches geschehen, und er sie eine Zeitlang im Kessel gehalten, wurf er sie auf die Erden, worauf sie hin und herfuhren, und den Schwefel wieder von sich sprützeten. Nunmehro rief er wieder meim armen Kind zu: sieh! diese Posen werf ich dir alsdann auf die weißen Lenden, und frißt der glühende Schwefel dir sogleich das Fleisch bis auf die Knochen durch, damit du einen Vorschmack gewinnest von der Lust der Höllen, die dein harret.

Als er soviel mit Hohnlachen gesprochen, überkam mich ein so großer Jachzorn, daß ich aus der Ecken herfürsprang, wo ich mein zitternd Gebein an einer alten Tonnen gestützet, und schriee: »o du höllischer Hund sprichstu das aus dir selbsten, oder haben es dich Andere geheißen«, wofür der Kerl aber mir einen Stoß auf die Brust gab, daß ich an die Wand zurücke fiel, und Dn. Consul im großen Zorn rief: Alter Narre, da Er ja durchaus allhier verbleiben will; so lasse Er mir den Büttel in Frieden, wo nicht, so lasse ich Ihn alsogleich aus der Kammer bringen. Was der Büttel gesaget, ist seine Schuldigkeit, und wird es Seiner Tochter also ergehen, wenn sie nicht bekennet, und zu vermuthen steht, daß der höllische Feind ihr was gegen die Pein gebrauchet9. Hierauf fuhr der höllische Hund wieder zu meim armen Töchterlein fort, ohne mein weiters[173] zu achten, als daß er mir in das Angesicht lachete »sieh! wenn dir nunmehro deine Wolle genommen ist, ho ho ho, ziehe ich dich durch diese zwo Ringe unten an der Erden und oben am Boden in die Höhe, recke dir die Arme aus und binde sie oben an die Decken, worauf ich diese beiden Fackeln nehme und solche dir unter den Achseln halte, daß deine Haut gleich wird als die Schwarte von einem Schinken, so im Rauch gehänget. Alsdann soll dir dein höllischer Buhler nit mehr beistehen und du sollt die Wahrheit schon bekennen. Nunmehro hast du Allens gesehen und gehöret, was ich mit dir im Namen Gottes und der Oberkeit fürnehme.

Jetzunder trat wiederumb Dn. Consul für und vermahnete sie nochmals die Wahrheit zu bekennen. Als sie aber bei ihrer Sag verharrete, übergab er sie denen beiden Weibern so den Kessel gebracht, daß sie sie nackend ausziehen sollten, wie sie von Mutterleib kommen, und ihr darauf das schwarze Marterhemd anziehen, nachgehends aber noch einmalund zwar baarfuß, die Treppe hinaufleiten vor Ein ehrsam Gericht. Aber da die eine von diesen Weibsbildern des Amtshaubtmanns seine Ausgebersche war (die andere war den dreusten Büttel seine Frau) sagte mein Töchterlein, daß sie sich nur wölle von ehrsamen Weibern angreifen lassen, nicht aber von der Ausgeberschen und müge Dn. Consul ihre Magd rufen lassen, so wohl annoch in ihrem Gefängnüß säße und in der Bibel läse, wenn er sonsten kein ehrsam Weibsbild in der Nähe wüßte. Hierauf erhub die Ausgebersche ein groß Maul und ein gewaltig Schimpfen, was ihr aber Dn. Consul verbott, und meinem Töchterlein zur Antwort gab: daß er auch dieses ihr nachsehen wölle und müge nur den dreusten Büttel seine Frau die Magd aus dem Gefängnüß anhero rufen. Nachdem er solches gesaget griff er mich unter meinen Arm und flehete mich also lange mit ihm gen Oben zu kommen, dieweil meinem Töchterlein annoch[174] kein Leides geschehen würde, bis ich seinen Willen thate.

Währete aber nit lange, so kam sie selbsten baarfuß und in dem schwarzen Marterhemde mit den beiden Weisbildern heraufgestiegen, doch also blaß, daß ich sie kaum selbsten kennen kunnte. Der abscheuliche Büttel aber so dicht hinter ihr ging, griff sie an die Hand, und stellete sie vor Ein ehrsam Gericht.

Nachdem solches geschehen, ging das Vermahnen wieder los und sagte Dn. Consul: sie sölle einmal niedersehen auf die braunen Flecken, so in dem Hemde wären. Dieses wäre auch noch das Blut der alten Biehlkschen, und müge sie bedenken, daß umb wenig Minuten ihr eigen Blut auch daraus herfürsprützen würde. Hierauf gab sie aber zur Antwort: dieses bedenke ich gar wohl, doch hoffe ich, daß mein treuer Heiland, der mir unschuldig diese Pein hat auferleget, selbige mir auch wird tragen helfen, wie den heiligen Märtyrern. Denn haben diese mit Gottes Hülfe die Pein im rechten Glauben überwunden, so ihnen die blinden Heiden anthaten, kann ich auch die Pein über winden, welche mir blinde Heiden anthun, so zwar Christen sein wöllen, aber grausamer seind, denn die alten. Denn die alten Heiden haben die heiligen Jungfrauen doch nur von denen grimmigen Bestien zureißen lassen, ihr aber, welche ihr das neue Gebot habet: daß ihr euch untereinander lieben sollt, wie Euer Heiland euch geliebet hat, damit Jedermann daran erkenne, daß ihr seine Jünger seid, Johannes am dreizehnten, ihr wollet selbsten diese grimmigen Bestien spielen und den Leib einer unschuldigen Jungfrauen, so eure Schwester ist, und euch nie was Leides gethan lebendig zureißen. So thut denn, was euch geliebet, doch sorget, wie ihr es für eurem höchsten Richter verantworten wöllet. Ich sage nochmals: das Lämmlein erschröcket nicht, denn es stehet in der Hand des guten Hirten.[175]

Als mein unvergleichlich Kind also geredet, stund Dn. Consul auf, und nahm seine schwarze Kappen ab, so er immer trug, dieweile ihm die Haare auf dem Scheitel schon ausgefallen, verneigte sich auch vor dem Gericht und sprach: Eim ehrsamen Gericht wird angezeiget, daß nunmehro die Urgicht und peinliche Frag der verstockten und gotteslästerlichen Hexen Maria Schweidler anheben soll, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Hierauf stund das ganze Gericht auf bis auf den Amtshaubtmann, so schon vorhero aufgestanden, und unruhig in der Stuben auf- und abgegangen war. Doch weiß ich von Allem, was nunmehro erfolget und ich selbsten gethan hab, kein Wörtlein mehr, will es aber getreulich berichten, wie es mir mein Töchterlein und andere testes vermeldet. Und zwar verzählen sie also:

Als Dn. Consul nach solchen Worten die Sanduhr genommen, so auf dem Tische stund und vorauf getreten, habe ich durchaus nit wöllen, worauf erstlich Pastor Benzensis mit vielen Worten und Thränen mich gebeten von meinem Fürhaben abzulassen, darauf aber, wie es nichtes verfangen, mein Töchterlein selbsten mir die Wangen gestreichelt, und gesprochen: Vaterhabt Ihr auch gelesen, daß die heilige Jungfrau dabei gewest als man ihren unschuldigen Sohn gegeißelt? Darumb gehet nunmehro auch zur Seiten. An meinem Scheiterhaufen aber sollet Ihr stehen, das verspreche ich Euch, wie die heilige Jungfrau unter dem Creuze gestanden hat, doch anjetzo gehet, gehet, denn Ihr werdet es nicht ertragen, und ich auch nicht! –

Als solches aber auch nit verschlagen, hat Dn. Consul dem Büttel Befehl geben mich mit Gewalt zu greifen und in ein Zimmer einzusperren, worauf ich mich aber losgerissen,[176] ihme zu Füssen gefallen und ihn beschworen bei den Wunden Jesu Christi, er wölle mich nit von meinem Töchterlein reißen. Solche Gnade und Gutthat würde ich ihm nimmermehr vergessen, besondern Tag und Nacht für ihn beten, auch am jüngsten Gericht vor Gott und den heiligen Engeln sein Fürbitter sein, wenn er mich mitgehen ließe. Ich wölle mich auch ganz geruhsam verhalten, und kein einzig Wörtlein sagen, nur mitgehen müßte ich, etc.

Solches hat den guten Mann also erbarmet, daß er in Thränen ausgebrochen und also gezittert hat für Mitleid mit mir, daß die Sanduhr ihm aus der Hand gefallen, und dem Amtshaubtmann für die Füße getründelt10 ist, als hätt ihm unser Herr Gott selbsten ein Zeichen gegeben, daß seine Uhr bald abgelaufen wär. Hat es auch gar wohl verstanden; denn er ist blaß worden, wie ein Kalk, als er sie aufgenommen, und Dn. Consuli wiederumb zugestellet. Selbiger hat endlich nachgegeben, indeme er gesaget, daß dieser Tag ihm an die zehn Jahre älter machen würd, doch dem dreusten Büttel befohlen, welcher auch mit gangen ist, mich alsogleich wegkzuführen, so ich in währender Marter rumor machen söllte. Und ist nun das ganze Gericht niedergestiegen doch, ohne den Amtshaubtmann, der gesaget, daß ihm der Kopf wehe thät, und er gläube, daß sein alt malum, die Gicht, wiederkäme weshalben er in ein ander Zimmer gangen ist. Item ist Pastor Benzensis auch von dannen gegangen.

Drunten im Keller hätten allererst die Büttel Tische und Stühle gebracht, worauf sich das Gericht gesetzet, und Dn. Consul mir auch einen Stuhl hingeschoben; doch wäre ich nit darauf niedergesessen, besondern hätte mich in einer Ecken auf meine Kniee geworfen. Als solches beschehen, wäre das leidige Vermahnen wieder losgangen, doch da mein Töchterlein wie ihr unschuldiger Heiland[177] für seinen ungerechten Richtern kein einzig Wörtlein Antwort geben, wäre Dn. Consul aufgestanden und hätte dem langen Büttel Befehl gegeben sie nunmehro auf die Marterbank zu setzen.

Sie hätte gezittert wie ein Espenlaub, als er ihr die Füße und Hände festgebunden, und als er nunmehro ein alt garstig und köthigt Tuch, worin er den Tag Fische getragen, wie meine Magd gesehen, und worauf noch die hellen Schuppen bei Haufen gesessen, ihr umb ihre lieblichen Aeugeleins binden wöllen, wäre ichs gewahr worden und hätte mein seidin Halstuch abgelöset, bittende, er wölle dieses nehmen, welches er auch gethan. Hierauf wären ihr die Daumschrauben angeleget und sie nochmals im Guten befraget; doch sie hätte nur ihr blindes Haupt geschüttelt und mit ihrem sterbenden Heiland geseufzet: Eli, Eli, lama sabachthani, und hierauf griechisch: δεέ με, δεέ με, ϊνα τί με εγκατέλιπεζ.11 Darauf wäre Dn. Consul zurückgeprallet, und hätt ein Creuz geschlagen (denn dieweil er kein Griechisch verstunde, hätte er gegläubet, wie er nachgehends selbsten sagte, sie hätte den Teufel angerufen ihr zu helfen) und nunmehro mit lauter Stimmen dem Büttel zugeschriien: schraubet!

Als ich aber solches gehöret, hätte ich einen erschröcklichen Schrei herfürgestoßen, daß das ganze Gewelbe gezittert, worauf mein, für Angst und Verzweiflung sterbendes Kind da sie meine Stimme erkennet, ernstlich mit ihren gebundenen Händen und Füßen gerucket, wie ein Lämmlein auf der Schlachtbank, so verscheiden will, und darauf gerufen: »lasset mich los, ich will Allens bekennen, was ihr wollet.« Dieses hätte Dn. Consulem also erfreuet, daß er in währender Zeit der Büttel sie losgebunden, auf seine Kniee gefallen und Gott gedanket hätte, daß er ihme von dieser Qual geholfen. Doch wäre mein verzweifelt Kind nicht alsobald abgebunden und hätte ihre Dornenkron[178] (verstehe mein seidin Halstuch) abgelegt, als sie von der Leiter gesprungen und sich auf mich gestürzet, der ich wie ein Todter in tiefer Unmacht in der Ecken gelegen.

Solches hätte Ein ehrsam Gericht verdroßen, und nachdem die beiden Büttel mich wegkgetragen, wäre Rea vermahnet nunmehro, wie sie versprochen, ihre Urgicht zu thun. Wäre aber zu schwach gewest, um auf ihren Füssen zu stehen, und wiewohlen Dn. Camerarius gebrummet, hätte Dn. Consul ihr dennoch einen Stuhl geben, auf welchem sie sich gesetzet. Und seind dieses die hauptsächlichsten Fragen gewest, so ihr auf Befehlich Eines Hochlobsamen Hofgerichtes wie Dn. Consul gesaget, fürgeleget worden, und ad protocollum genommen sind:

Q. Ob sie zaubern könne?

R. Ja sie könne zaubern.

Q. Wer ihr solches gelehret?

R. Der leidige Satan selbsten.

Q. Wieviel Teufel sie habe?

R. Sie hätte an einem genug.

Q. Wie dieser Teufel hieße?

Illa. (sich besinnende) hieße Disidaemonia12.

Hierauf hätte sich Dn. Consul geschuddert und gesaget: das müßte ein recht erschröcklicher Teufel sein, dieweil er niemalen solchen Namen gehöret. Sie sölle selbigen buchstabiren, damit der Scriba keinen error mache, welches sie auch gethan, und ist hierauf fortgefahren wie folget:

Q. In welcher Gestalt ihr selbiger erschienen?

R. In der Gestalt des Amtshaubtmanns, oftmalen auch wie ein Bock mit grimmigen Hörnern.

Q. Ob und wo sie Satan umgetaufet?

R. In der Sehe.[179]

Q. Welchen Namen er ihr geben?

R. 13

Q. Ob auch Etzliche aus der Nachbarschaft bei ihrer Umtaufe gewest und welche?

Hier hat mein unvergleichlich Kind ihre Aeugelein gen Himmel geschlagen, eine Zeitlang stille geschwiegen, als besünne sie sich, ob sie die alte Lise angeben sölle, oder nicht und dann endlich gesaget: nein!

Q. Müßte doch Paten gehabt haben! Welches diese gewesen und was sie ihr eingebunden zum Pathengeld?

R. Wären nur Geister dabei gewest, weshalben die alte Lise auch nichtes gesehen, als sie über die Umtaufe hinzugekommen.

Q. Ob der Teufel ihr beigewohnet?

R. Sie hätte nirgend anders denn bei ihrem Vater ihre Wohnung gehabt.

Q. Sie wölle wohl nit verstehen. Ob sie mit dem leidigen Satan Unzucht getrieben, und sich fleischlich mit ihm vermischet?

Hier ist sie also verschaamrothet, daß sie sich mit beiden Händen die Augen zugehalten, und darauf angehoben zu weinen und zu schluchzen, und da sie nach vielen Fragen keine Stimme von sich geben, ist sie vermahnet worden, die Wahrheit zu reden, widrigenfalls sie der Angstmann wieder auf die Leiter heben würd. Hat jedoch endlich »nein!« gesaget, welches aber Ein ehrsam Gericht nicht gegläubet, sondern sie dem Angstmann abermals befohlen, worauf sie mit ja geantwortet.

Q. 14[180]

Q. Ob sie von dem Satan in Wochen gekommen, oder einen Wechselbalg erzeuget und in welcher Gestalt?

R. Nein wäre nie geschehen.

Q. Ob ihr der böse Geist kein Zeichen oder Maal an ihrem Leib geben und wo?

R. Die Maale hätte Ein ehrsam Gericht ja allbereits gesehen.

Nunmehro seind wieder die Zaubereien im Dorf fürgekommen, so sie alle eingestanden. Doch hat sie Nichtes wissen wöllen umb den alten Seden seinen Tod, item umb der kleinen Paaschen ihre Krankheit, wie letzlich, daß sie mit der Macht des bösen Feindes mein Ackerstück umgehaket, und mir Raupen in meinem Kohlgarten gemacht. Und wiewohlen sie abermals mit der Folter bedräuet worden, der Angstmann sie auch zum Schein hat wieder auf die Bank setzen müssen und ihr die Daumschrauben anlegen, ist sie doch standhaft verblieben, und hat gesprochen: was wöllet Ihr mich martern, da ich doch weit schwerere Dinge bekennet, denn diese sind, so mir nicht das Leben aufhalten werden wenn ich sie leugne.

Dieses hat auch Ein ehrsam Gericht letzlich eingesehen und sie wieder von der Marterbank heben lassen, zumalen da sie den articulum principalem15 eingestanden, daß ihr Satan wahrhaftiglichen als ein Riese wäre auf dem Berg erschienen. Von dem Wetter und der Poggen, item dem Schweinsigel ist aber nichts mehr fürgekommen, alldieweilen Ein ehrsam Gericht nunmehro wohl selbsten die Unsinnigkeit eingesehen, daß sie hätte Wetter machen söllen, da sie ruhig auf dem Wagen gesessen. Schließlich hat sie noch gebeten, daß ihr müge vergönnt werden, in demselbigen Kleid dereinst ihren Tod zu erleiden, welches sie angehabt, als sie den schwedischen König salutiret, item ihrem elenden Vater zu vergönnen, daß er mit zum Scheiterhaufen führe, und dabei stünde, wenn sie gebrennet[181] würde, wie sie ihm solches in Gegenwärtigkeit Eines ehrsamen Gerichtes versprochen.

Darauf ist sie dem langen Büttel wieder überliefert und selbigem anbefohlen worden, sie in ein ander und schwerer Gefängnüß zu setzen. Doch ehe er mit ihr aus der Kammer gangen, ist den Amtshaubtmann sein Hurenbalg, so er mit der Ausgeberschen gezeuget, mit einer Trummel in den Keller kommen, hat immerzu getrummelt und geschrieen: kamt tom Gosebraden, kamt tom Gosebraden16 so daß Dn. Consul in einen schweren Zorn gerathen, und hinter ihm her geloffen. Aber er hat ihne nicht kriegen mögen, dieweil er in dem Keller guten Bescheid gewußt. Und hat mir der Herr sonder Zweifel meine Unmacht geschicket, daß ich dieses neue Herzeleid nicht mehr haben söllte. Darumb sei ihm allein die Ehre. Amen.

1

ho, ho, nun sind sie da, nun wird das Kitzeln wohl anfangen.

2

plattdeutsch: für schauderte.

3

rechtmäßige überwiegende und hinreichende Gründe zur Tortur.

4

böses Gerücht.

5

öffentlich begangene Zauberei.

6

die Erscheinung des Teufels auf dem Berge.

7

Den Prediger zu Benz, einem unsern von Pudgla belegenen Kirchdorfe.

8

brodelte

9

Denn man wähnte, wenn die Hexe die Marter mit ungewöhnlicher Geduld ertrug, oder gar dabei einschlief, wie unbegreiflicher Weise öfter vorkam, der Teufel hätte diese Gefühllosigkeit ihnen durch ein Amulet verliehen, das sie an geheimen Theilen des Körpers verborgen hielten. Zedlers Universallexicon Bd. 44 unter dem Artikel Tortur.

10

plattdeutsch: für gerollet.

11

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Matth. 27, 46.

12

griechisch und nach der Erasmusschen Aussprache: Deisidaimonia, d.i. der Aberglaube. Welch bewundernswürdiges Weib! –

13

Dieser Name ist durchaus nicht im Manuscript zu enträthseln.

14

Diese abscheuliche Frage kann ich nur lateinisch hersetzen: »num semen Daemonis calidum fuerit aut frigidum« – »ob denn der Same des Teufels warm oder kalt gewesen sei?«, worauf sie geantwortet, daß sie sich darauf nicht mehr besinnen könne. Uebrigens kommt diese Frage in allen Hexenprocessen vor, und wird unbegreiflicher Weise immer mit »frigidum« beantwortet.

15

Hauptartikel.

16

Kommt zum Gänsebraten!

Quelle:
Wilhelm Meinhold: Maria Schweidler. Die Bernsteinhexe. Frankfurt am Main 11978, S. 168-183.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Bernsteinhexe
Maria Schweidler, die Bernsteinhexe: Der interessanteste aller Hexenprozesse, nach einer defekten Handschrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schweidler in Coserow auf Usedom
Die Bernsteinhexe
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler: Der interessanteste aller bekannten Hexenprozesse - Nach einer defekten Handschrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schweidler in Koserow auf Usedom
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Maria Schweidler, Die Bernsteinhexe, Der Interessanteste Aller Bis Her Bekannten Hexenprozesse; Nach Einer Defekten Handschrift Ihres Vaters Des . In Coserow Auf Usedom (German Edition)

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon