Capitel 24.
Wie der Teufel in meiner Gegenwärtigkeit die alte Lise Kolken hohlet.

[183] Als ich mich nach meiner obgedachten Unmacht wiederumb verhohlet, stand den Krüger sein Weib über mir mit meiner alten Magd und kelleten mir eine Biersuppen ein. Die alte getreue Person schriee laut auf für Freuden, als ich meine Augen wieder aufschlug, und erzählete mir darauf auf meine Erkundigunge, daß mein Töchterlein sich nit hätte recken lassen, besondern freiwillig ihre Uebelthat bekennet, und sich für eine Hexe ausgegeben. Solche Kundschaft war mir in meinem Jammer fast erquicklich, angesehen ich das Feuer für eine geringere Strafe erachtete, denn die Marter. Aber als ich anheben wollte zu beten, wollt' es nicht gehen, worüber ich abereins in großen Mißmuth und Verzweiflung kam, und gläubete, daß der heilige Geist gänzlich sein Angesicht von mir elenden Menschen abgewendet hätte. Und wiewohlen die alte Magd, als sie solches merkete, sich für mein Bette stellete, und anhub mir vorzubeten, war es doch umbsonst, und war und blieb ich ein verstockter Sünder. Doch erbarmete der Herr sich mein ohne mein Verdienst und Würdigkeit, maßen ich bald in einen tiefen Schlaf verfiele, und am andern Morgenumb Betglockenzeit erstlich wieder aufwachete, wo ich auch wieder beten kunnte, und über solche Gnade Gottes annoch in meinem Herzen jubilirete, als mein Ackersknecht Claus Neels zur Thüren hereintrat, und verzählete, daß er schon gestern gekommen wäre umb mir Kundschaft zu geben von wegen meinem Hafer, dieweil er nunmehro Allens eingeaustet1, Und wäre auch der Büttel mit ihm kommen, so die alte Lise Kolken eingehohlet, inmaßen Ein lobsam Hofgericht, wie der Büttel fürgegeben, solches[183] befohlen. Und wäre das ganze Dorf darüber in Freuden gewest, aber auch Rea hätte gesungen und jubiliret und unterwegs zu ihnen und dem Büttel gesaget, (denn der Büttel hätte sie ein wenig hinten aufhacken lassen) das sölle dem Amtshaubtmann was Schönes bedeuten. Sie sölle nur für Gericht kommen, dann werde sie wahrhaftig kein Blatt vor ihren Mund nehmen, und männiglich sich verwundern was sie herfürbringen würde. Solch ein Gericht wäre ihr ja was Lächerlichs, und hofirete sie salva venia in die ganze Brüderschaft, et caet.

Als ich solches gehöret, faßte ich wieder eine steife Hoffnung und stund auf, umb zu der alten Lisen zu gehen. Hatte mich aber noch nicht ganz verkleidet2, als sie selbsten schon den dreusten Büttel schickete, daß ich doch ganz eilends zu ihr kommen und ihr das Nachtmahl geben müge, dieweil sie diese Nacht fast schwach worden. Dachte dabei mein gut Theil und folgete dem Büttel in Hast, wiewohl nicht, umb ihr das Nachtmahl zu geben wie männiglich vor sich selbsten abnehmen kann. Dabei vergaß ich alter schwacher Mann aber, mir Zeugen mitzunehmen. Denn aller Jammer, so ich zeithero gelitten, hatte mir meine Sinne also umbschattet, daß mir solches gar nicht in die Gedanken kam. Nur der dreuste Büttel folgete mir und wird man weiters hören, wie dieser Bube dem Satan Leib und Seele übergeben, umb mein Kind zu opfern, da er sie doch hätte retten mügen. Denn als er die Gefängnüß aufgeschlossen (es war dasselbe Loch wo mein Töchterlein zeithero gesessen) sahen wir die alte Lise auf der Erden liegen in eim Bund Stroh und einen Besen zum Kopfküssen (als wöllte sie jetzunder damit zur Höllen fahren, da sie nit mehr darauf zum Blocksberg fahren kunnte) so daß ich mich schudderte als ich ihr ansichtig wurde.

Und war ich kaum eingetreten als sie ängstlich schriee:[184] »ick bin ene Hex, ick bin ene Hex, erbarm he sich un geb he mi fix3 dat Nachtmal, ick will Em uck Allens bekennen!« Und als ich ihr zurief: so bekenne! sprach sie: daß sie selbsten allen Zauber mit dem Amtshaubtmann im Dorf angerichtet, und mein Kindlein so unschuldig daran wäre, als die Sonne am Himmel. Doch hätte der Amtshaubtmann mehr schuld, angesehen er ein Hexenpriester wäre, und einen weit stärkeren Geist denn sie hätte, welcher Dudaim4 hieße, und sie die Nacht in das Genicke gestoßen, also daß sie es nimmer hohlen würd. Selbiger Geist hätte das Ackerstück umgepflüget, den Birnstein verschüttet, das Wetter gemachet, meinem Töchterlein die Pogge auf ihren Schooß geworfen item ihren alten Ehekerl durch die Luft von dannen geführt.

Und als ich fragete, wie solches müglich gewesen, da ihr Kerl doch bis fast nahe an sein Ende ein Kind Gottes gewest, und gerne hätte beten mögen, wiewohl ich mich gewundert, daß er plötzlichen in seiner letzten Krankheit andere Gedanken gekriegt, gab sie zur Antwort, daß derselbige eines Tages ihren Geist gesehen, so sie in Gestalt einer schwarzen Katzen in ihrem Koffer gehabt und Stoffer hieße und dieweil er gedrohet, solches mir zu verzählen, wäre ihr bange worden, und hätte sie ihn durch ihren Geist also krank machen lassen, daß er an seiner Aufkunft verzaget wäre. Nunmehro hätte sie ihn vertröstet, daß sie ihn alsobald wieder heilen wölle, wenn er Gotte absagete, der ihn doch nit helfen könnte wie er wohl einsäh. Solches hätte er zu thun versprochen, und da sie ihn alsobald wieder wacker gemacht, wären sie mit dem Silber,[185] so ich vor ihn von dem neuen Abendmahlskelch abgeschrapet hätte, zur Nachtzeit an den Strand gangen wo er selbiges mit den Worten in die Sehe hätte schütten müssen: so wenig dieses Silber wieder an seinen Kelch kömmt, komme meine Seele wieder zu Gott, worauf ihn der Amtshaubtmann so auch da gewest umgetaufet im Namen des Satans und ihne Hans genannt. Päthen hätte er nit mehr gehabt, denn sie, (verstehe die alte Lise) allein. Da er aber in der Johannesnacht zum ersten Male mit ihnen auf dem Blocksberg gewest (es wäre aber der Herrenberg5 ihr Blocksberg) wäre auch von meim Töchterlein die Rede gewest. Und hätte Satanas dem Amtshaubtmann es selbsten zugeschworen, daß er sie haben sölle. Er wölle dem Alten (womit der Bösewicht Gott gemeinet) wohl zeigen was er könne, und solle der Zimmermannsjunge vor Aerger was Schönes in seinen Hosen finden (pfui du Erzbösewicht, daß du solches von meinem Erlöser geredet!) Hierüber hätte ihr alter Kerl gemurmelt, und da sie ihme niemalen recht getrauet, hätte der Geist Dudaim ihn eines Tages auf des Amthaubtmanns Befohl durch die Luft geführet, dieweil ihr Geist Stoffer geheißen, zu schwach gewest, umb ihn zu tragen. Selbiger Dudaim wäre auch der Grünspecht gewesen, so mein Töchterlein und nachgehends den alten Paasschen mit seinem Geschrei herbeigelocket, umb sie zu verderben. Doch wäre der Riese so auf dem Streckelberge erschienen kein Teufel gewest, sondern wie ihr Geist Stoffer gesagt, der Junker von Mellenthin selbsten.

Und wäre dies Allens die reine Wahrheit, worauf sie leben und sterben wölle. Bäte dahero umb Gottes Willen, ich[186] wölle mich ihrer erbarmen und ihr auf solch ihr bußfertig Bekenntnüß die Vergebung ihrer Sünden sprechen und das Nachtmahl reichen, denn ihr Geist stünde dort am Ofen und lachete wie ein Spitzbube, daß es nunmehro mit ihr aus wäre. Aber ich gab zur Antwort: ich wollte ja lieber einer alten Sau das Nachtmahl geben, denn dir vermaledeyeten Hexen, die du nicht blos deinen eigenen Ehekerl dem Satanas übergeben, besondern auch mich und mein arm Kind mit Höllenpein zu Tode marterst. Doch ehe sie noch antworten kunnten begab es sich, daß ein Wurm bei eines Fingers Länge, und gelb an seinem Steiß, in die Gefängnüßthüre gekrochen kam. Als sie solchen sahe, thät sie ein Geschrei, wie ich es nimmermehr gehöret, noch zu hören begehre. Denn als ich in meiner Jugend in der Schlesien sahe, wie ein feindlicher Soldat einer Mutter in ihrer Gegenwärtigkeit ein Kindlein spießete, meinete ich, das sei ein Geschrei gewest, so die Mutter thät; aber dieses Geschrei war ein Kinderspiel gegen das Geschrei der alten Lisen. Alle meine Haare recketen sich gen Himmel, und auch ihre rothen Haare wurden also steif, und wie die Reiser von dem Besen anzusehen, worauf sie lag. Brüllete auch ebenmäßig: »das ist der Geist Dudaim, den mir der verfluchte Amtshaubtmann schicket, das Nachtmahl umb Gottes willen das Nachtmahl – ich will auch noch viel mehr bekennen –, ich bin schon an die 30 Jahre eine Hexe! – das Nachtmahl, das Nachtmahl! Also brüllende schlug sie mit Händen und Füßen umb sich, dieweil das garstige Gewürm sich gehoben, und allbereits umb ihr Lager schnurrete und burrete, daß es ein Gräuel anzusehen und hören war. Und rief die Unholdin umwechselnd bald Gott bald ihren Geist Stoffer bald mich an, ihr beizuspringen, bis das Gewürm ihr mit einem Male in den offenen Rachen fuhr, worauf sie alsogleich verreckete und schwarz und blau, wie eine Brummelbeer wurde.

Hörete darauf weiter nichtes, als daß das Fenster klirrete,[187] doch nicht gar harte, besondern als wenn eine Erbse dagegen geworfen würd, woraus ich leichtlich abnehmen kunnte, daß Satanas mit ihrer Seelen hindurch gefahren. Der barmherzige Gott bewahre doch jedes Mutterkind für solches Ende umb Jesu Christi unsers lieben Herrn und Heilandes willen, Amen.

Als ich mich in etwas wieder verhohlet, was aber, lange dauerte, inmaßen mein Blut zu Eis geronnen, und meine Füße so steif wie ein Stock waren, hub ich an nach dem dreusten Büttel zu schreien, welcher aber nicht mehr im Gefängniß war. Solches nahm mich ein Wunder, da ich ihn doch kurz zuvorab noch gesehen, ehe denn der Wurmb kam und ahnete mir gleich nichts Gutes. Und also geschah es auch. Denn als er endlich auf mein Rufen hereinkam, und ich sagete: er möge das Aas auskarren lassen, so hier eben im Namen des Teufels verrecket wäre, that er ganz verwundert und als ich ihme zuhielt, er würde doch ein Zeugnüß ablegen für mein Töchterlein von wegen ihrer Unschuld, so die Vettel auf ihrem Todeslager bekennet, stellete er sich noch mehr verwundert und sprach: daß er Nichtes gehört hätte. Dieses stieß mir wie ein Schwert durch mein Herze und fiel ich draußen an einen Piler6 wo ich wohl eine ganze Zeit gestanden. Ging aber als ich wieder zu mir selbsten kam zu Dn. Consuli, welcher nach Usedom abfahren wollte und schon auf dem Wagen saß. Auf mein demüthig Bitten aber kam er wieder in das Gerichtszimmer mit dem Camerario und Scriba herab, und verzählete ich anjetzo ihnen Allens was fürgefallen, und wie der gottlose Büttel leugne, solches auch gehört zu haben. Hierunter habe ich aber viel Wirrisches gesprochen, und unter andern gesaget, daß die Fischlein alle zu meim Töchterlein in den Keller geschwummen kämen, umb sie zu erlösen. Nichts destoweniger ließ Dn. Consul, welcher oftmalen sein Haupt schüttelte, den dreusten Büttel rufen,[188] und befragete ihn nach seinem Gezeugnüß. Aber der Kerl gab für, daß er gleich wäre fortgangen da er gemerket daß die alte Lise beichten wölle, um nicht abereins angeschnauzet zu werden. Er habe darum auch Nichtes gehört. Hierauf hätte ich, wie Dn. Consul nachgehends dem Benzer Pastoren gesaget meine Fäuste geballet und geantwurtet: was du Erzschalk krochst du nicht wie ein Wurmb in der Stuben umbher? Darumb hätte er mich auch, wie einen wirrischen Menschen, nicht weiter angehöret, noch dem Büttel einen Eid abgenommen, sondern hätte mich im Zimmer stehen lassen, und wäre wieder auf seinen Wagen gestiegen.

Weiß auch nicht, wie ich herauskommen bin, und war mir am andern Morgen als die Sonne aufginge und ich bei Meister Seep, dem Krüger, in meim Bette lag der ganze casus, wie ein Traumb. Kunnte auch nit aufstehen, besondern mußte den lieben Sonnabend und Sonntag stille liegen, wo ich viel Allotria geschwäzzet. Erst den Sonntag gegen Abend als ich angehoben mich zu speien und die grüne Galle ausgebrochen, (ist kein Wunder nicht!) ist es besser mit mir worden. Umb diese Zeit kamb auch Pastor Benzensis vor mein Bette und verzählete mir, wie ich es wirrisch gemachet, richtete mich aber durch Gottes Wort also auf daß ich wieder recht aus dem Herzen beten kunnte, was der barmherzige Gott meinem lieben Gevatter noch am jüngsten Gericht vergelten wölle. Denn das Gebet ist fast ein so wackerer Tröster, wie der heilige Geist selbsten, von dem es kommt und verbleibe ich dabei so lange ein Mensch noch beten kann, daß er nicht im äußersten Unglück sei, wenn ihm sunsten auch Leib und Seele verschmachtet wäre. (Ps. 73.)

1

eingeärndtet, plattdeutsch.

2

angekleidet.

3

schnell.

4

Dieses merkwürdige Wort kommt schon 1 Mos. 30, 15. ff. als der Name einer Pflanze vor, welche die weibliche Fruchtbarkeit erregt; doch sind die Ausleger von jeher über das Wesen und die Natur derselben uneins gewesen. Die LXX geben es durch mandragoras und ist von den zuverläßigsten altern und neuern Theologen angenommen, daß es die in der Geschichte der Zauberei so berüchtigte Alraunwurzel gewesen sei. Sonst führen seltsamer Weise die Teufel immer christliche Namen, wie auch bald darauf der Geist der alten Lise Stoffer d.i. Christoph genannt wird.

5

Berg in der Nähe von Coserow. In fast allen Hexenprozessen kommen berge dieser Art in der Nähe des Wohnorts der betheiligten Personen vor, wo der Teufel in der Walpurgis- und Johannesnacht mit ihnen schmauset, tanzet und Unzucht treibt, auch von den Hexenpriestern die satanischen Sacramente ausgeübt werden, welche eine Nachäfferei der göttlichen sind.

6

Pfeiler, plattdeutsch.

Quelle:
Wilhelm Meinhold: Maria Schweidler. Die Bernsteinhexe. Frankfurt am Main 11978, S. 183-189.
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