Capitel 29.
Von unsrer großen, abermaligen Trübsal und letzlicher Freud.

[236] Und hätten wir jetzunder wohl zufrieden sein und Gotte Tag und Nacht auf unsern Knieen danken mögen. Denn unangesehen, daß er uns so gnädiglich aus so großer Trübsal erlöset, hatte er auch das Herze meiner lieben Beichtkinder also umbgekehret, daß sie nicht wußten was sie uns Gutes thun söllten. Brachten alle Tage Fische, Fleisch, Eier, Würste und was sie mir sonsten bescheeren thäten, und ich wieder vergessen hab. Kamen auch den nächsten Sonntag alle zur Kirchen, Groß und Klein (außer der Klienschen in Zempin so unterdessen einen kleinen Jungen gekriegt und annoch ihre Wochen hielt) allwo ich über Hiob 5, Verse 17, 18, 19 meine Dankpredigt hielte: »siehe, selig ist der Mensche den Gott strafet, darum wegere dich der Züchtigung des Allmächtigen nicht. Denn er verletzet und verbindet, er zuschmeißet und seine Hand heilet. Aus sechs Trübsalen wird er dich erretten, und in der siebenten wird dich kein Uebel rühren«, wobei ich oftermalen von wegen dem Heulen ein wenig inne halten mußte, daß sie sich verpusten könnten. Und hätt ich mich in Wahrheit anjetzo mit dem Hiob, nachdeme ihn der Herr wiederumb gnädig aus seinen Trübsalen erlöset, wohl mügen in Vergleichung stellen, wenn nicht mein Töchterlein gewesen wäre, so mir abereins viel Herzeleid bereitete.

Sie weinete schon, als der Junker nicht absteigen wollte, und wurde letzlich da er nicht wiederkam immer unruhiger von einem Tag in den andern. Saß bald und las in der Bibel, bald in dem Gesangbuch, item in der Historie von der Dido bei dem Virgilio, oder lief auch auf den Berg und hohlete sich Blümekens (hat alldorten auch der Birnsteinader wieder nachgespüret, aber nichtes befunden, daraus[236] männiglich die List und Bosheit des leidigen Satans abnehmen mag). Solches sahe ich etzliche Zeit mit Seufzen an, doch, ohne ein Wörtlein zu sagen (denn Lieber, was kunnte ich sagen?) bis es immer ärger wurd, und da sie jetzunder mehr denn jemalen zu Hause und im Felde ihre carmina recitirete, besorgete ich daß das Volk sie wiederumb in ein Geschrei bringen würde, und ginge ihr eines Tages nach, als sie wieder auf den Berg lief. Gott erbarms, sie saß auf ihren Scheiterhaufen, so annoch da stunde, doch also, daß sie ihr Antlitz zur Sehe gekehret hatte und recitirete die Versus, wie Dido den Scheiterhaufen besteiget, umb sich aus Brunst zum Aeneae zu erstechen nämlich:


At trepida et coeptis immanibus effera Dido

Sanguineam volvens aciem, maculisque trementes

Interfusa genas, et pallida morte futura

Interiora domus irrumpit limina, et altos

Conscendit furibunda rogos. – – –1


Als ich solches sahe und hörete, wie weit es mit ihr kommen, entsatzte ich mich auf das Höchste und rief: »Maria, mein Töchterlein was machstu?« Sie erschrak, als sie meine Stimme hörete, blieb aber auf ihrem Scheiterhaufen sitzen, und gab zur Antwort, indem sie das Gesicht mit ihrem Schurzfleck bedeckete. »Vaterich brenne mein Herze!« Trat also näher zog ihr den Schurzfleck fort und sprach: »Wiltu mich denn noch einmal zu Tode grämen?«[237] worauf sie ihre Augen mit den Händen bedeckete und lamentirete: »ach Vater, warumb bin ich hier nicht gebrennet? so hätte meine Pein doch nur eine kurze Zeit gewähret, nun aber währet sie so lange ich lebe!« That noch immer als merkete ich nichtes und sprach: »Warumb leidest du denn so viel Pein mein liebes Kind?« worauf sie zur Antwort gab: »ich habe mich so lange geschämet es Ihme zu sagen, umb den Junker, umb den Junker, mein Vater, leide ich so viele Pein! Er gedenket mein nit mehr und verachtet mich, obwohl er mich gerettet, denn sonst wäre er wohl ein wenig vom Roß gestiegen und hineinkommen, aber wir seind ihm viel zu schlecht!«

Und hube ich nun zwar an, sie zu trösten und ihr die Gedanken auf den Junker auszureden, aber je mehr ich tröstete, je ärger wurd es. Doch sahe ich, daß sie noch heimblich eine steife Hoffnung hatte von wegen dem Adelsbrief, den ich ihme hatte thun müssen. Solche Hoffnung wollte ich ihr auch nicht benehmen, dieweil ich sie selbsten hatte, besondern, umb sie nur zufrieden zu stellen, flattirete ich letzlich ihrer Hoffnung, worauf sie auch etzliche Tage geruhsamer wurde, und nicht wieder auf den Berg lief, wie ich ihr verboten. Nahm auch ihre kleine Pate, die Paasschin wieder im Katechismus für, angesehen der leidige Satan sie mit des gerechten Gottes Hülfe nunmehro wieder gänzlich verlassen. Doch quinete2 sie noch und sahe also blaß aus wie ein Laken. Als aber bald hiernach das Geschreie kam: Niemand in der Burg zu Mellenthin wisse, wo der Junker verblieben, und vermeine man, daß er todt geschlagen wäre, nahm ihr Jammer wieder überhand, also daß ich meinen Ackersknecht zu reuten nacher Mellenthin schicken mußte, umb Kundschaft von wegen ihme einzuhohlen. Und hat sie wohl an die zwanzig Malen nach seiner Wiederkunft aus der Thüren und über das Hackelwerk geschauet, ist ihm auch bis an die Ecke gegen Pageis entgegengelaufen,[238] als sie letzlich sahe daß er wiederkam. Aber, du lieber Gott, er brachte uns bösere Nachricht, denn das Geschreie uns gebracht, sagende: die Burgleute hätten ihm verzählet, daß ihr junger Herre gleich noch selbigen Tages abgeritten, als er die Jungfer gerettet. Und wär er zwar nach dreien Tagen zur Begräbnüß seines Vaters retourniret, aber auch gleich hierauf wieder abgeritten, und hätten sie nunmehro an die fünf Wochen weiter Nichtes von ihme gehöret, wußten auch nicht wohin er gefahren und vermeineten, daß ihn böse Lotterbuben wohl geschlagen hätten.

Und nunmehro hube mein Jammer größer an, denn er jemalen gewesen; denn so geduldig und gottergeben sie sich vorhero erwiesen, daß keine Märtyrin hat mügen stärker in Gott und Christo ihrem letzten Stündlein entgegen gehen, so ungeduldig und verzweifelt war sie anjetzo. Hatte alle Hoffnung aufgeben, und sich steif in den Kopf gesetzt, daß in dieser schweren Kriegszeit die Schnapphanichen den Junker geschlagen. Nichtes wollte davor helfen auch das Beten nit, denn wenn ich mit ihr auf meinen Knieen den Herren anrief, fing sie letzlich immer an so erschröcklich zu lamentiren, daß sie der Herre verstoßen, und sie nur zum Unglück auf Erden erwählet sei, daß es mir wie ein Messer mein Herze durchschnitt, und mir die Gedanken mit denen Worten vergingen. Lag auch des Nachts und winselte wie eine Schwalbe und ein Kranich und girrete wie eine Taube, und ihre Augen wollten ihr brechen3, dieweil sie keinen Schlaf darinnen bekam. Rief ich ihr dann aus meinem Bette zu: »mein liebes Töchterlein, willtu denn noch nit aufhören, so schlafe doch!« so gab sie zur Antwort: »schlaf Er nur mein Herzensvater, ich kann nit schlafen, ehe denn ich den ewigen Schlaf schlafe; ach mein Vater, warumb bin ich nicht gebrennet?« Aber wie hätte ich schlafen mügen, da sie nicht schlafen kunnte;[239] sagte zwar alle Morgen, daß ich etwas geschlafen, umb sie zufrieden zu stellen; aber es war nicht also, besondern wie David schwemmete ich auch mein Bette die ganze Nacht und netzete mit meinen Thränen mein Lager4. Verfiel auch wieder in großen Unglauben, also daß ich nicht beten kunnte und mochte. Doch der Herre handelte nicht mit mir nach meinen Sünden und vergalt mir nicht nach meiner Missethat, besondern seine Gnade sollte auch über mir elenden Knecht bald höher werden, denn der Himmel über der Erden5.

Denn was geschah am nächsten Samtstag? Siehe unsere alte Magd kam außer Athem in die Thüre gefahren: daß ein Reuter über den Herrenberg käme, hätte einen großen Federbusch an seinem Hut wehende, und glaube sie, es wäre der Junker. Als mein Töchterlein so auf der Bank saß umb sich ihre Haare auszukämmen, solches hörete, thät sie einen Freudenschrei, daß es einen Stein in der Erden hätte erbarmen mügen, und rannte alsogleich aus der Stuben, umb über das Hackelwerk zu schauen. Währete auch nit lange, so kam sie wieder zurücke gelaufen, fiel mir umb meinen Hals und schriee in einem wegk: »der Junker, der Junker!« wollte darauf abereins herausihme entgegen, was ich ihr aber wehrete, und sölle sie sich lieber ihre Haare wegkstecken, was sie auch einsah und lachende weinende und betende zugleich sich ihre langen Haare wieder aufbund. Nunmehro kam aber auch der Junker schon umb die Ecken gegaloppiret, hatte ein grün sammet Wammes an, mit rothen seidinen Aermeln, und einen grauen Hut mit einer Reiherfeder, summa war stattlich angethan, wie eim Bräutigam gebühret. Und als wir nunmehro aus der Thüren liefen, rief er meinem Töchterlein auf lateinisch schon von ferne entgegen: quomodo[240] stat dulcissima virgo6? worauf sie zur Antwort gabe: bene, te aspecto7. Sprung also lächelnd vom Roß, und gab solches meinem Ackersknecht, so mit der Magd auch herbeikommen war, umb sein zu pflegen, verschrak sich aber als er mein Töchterlein also blaß sahe, und sprach, sie bei ihrer Hand fassend, auf teutsch: »mein Gott, was fehlet Ihr liebe Jungfer, Sie sieht ja blasser aus, denn da Sie auf den Scheiterhaufen sollte?« worauf sie zur Antwort gab: »ich bin auch alle Tage zum Scheiterhaufen gefahren, seitdem Er uns verlassen, lieber Herre, ohne bei uns einzusprechen, oder uns kund zu thun, wo Er geblieben.«

Solches gefiel ihme und sprach, wir wöllten nur allererst in die Stube gehen, sie sölle Allens erfahren. Und nachdeme er sich alldorten den Schweiß abgewischet und auf die Bank bei meim Töchterlein niedergesetzet hatte, verzählete er, wie folget. Er hätte ihr ja alsogleich versprochen, er wölle ihre Ehre erstlich vor aller Welt restituiren und hätte ihm dannenhero noch am selbigen Tage, als er uns verlassen, Ein ehrsam Gericht ein kurz Gezeugnüß ausstellen müssen von Allem was fürgefallen, insonderheit aber von dem Bekenntnüß des dreusten Büttels, item meines Ackerknechtes Claus Neels, womit er annoch in der Nacht, wie er versprochen, gen Anclam geritten und des nächsten Tages nacher Stettin zu unserm gnädigen Herrn dem Herzogen Bogislav. Selbiger hätte sich fast heftig verwundert, als er von der Bosheit seines Haubtmanns vernommen und wie ers mit meinem Töchterlein gemachet, auch gefraget, ob sie des Pastoren Tochter sei, so einstmalen in Wolgast im Schloßgarten den Siegelring Sr. fürstl. Gnaden, Philippi Julii, christmilden Gedächtnisses, gefunden, und da er solches nicht gewußt, ihn abereins gefraget: ob sie auch lateinisch verstünde? Und als er,[241] der Junker, letztes bejahet und gesaget, sie könne besser lateinisch denn er, hätte S.f.G. geantwortet: so will sie es genugsam sein, und sich alsogleich die Brille aufgesetzet und selbsten acta für sich genommen. Hierauf, und nachdeme S.f.G. das Gezeugnüß Eines ehrsamen Gerichtes kopfschüttelnd gelesen, hätte er demüthig umb eine Ehrenerklärung vor mein Töchterlein gebeten, auch S.f.G. imploriret ihm literas commendatitas8 an unsern allergnädigsten Kaiser, nacher Wien mitzugeben, umb meinen Adelsbrief zu renoviren, angesehen er gesonnen sei, kein ander Mädken in seinem Leben zu heurathen denn mein Töchterlein.

Als sie solches hörete, that sie einen Freudenschrei und fiel in Unmacht mit dem Kopf an die Wand. Aber der Junker begriff sie in seine Arme, gab ihr an die drei Küßekens (so ich nunmehro auch ihme nicht wegern wollte, da ich mit Freuden sahe, wo es hinauslief) und als sie wieder bei sich kommen fragete er: ob sie ihn nicht wölle, daß sie bei seinen Worten einen solchen Schrei gethan? worauf sie sprach: »ob ich Ihn nicht will mein Herre? Ach fast so lieb als meinen Gott und Erlöser will ich Ihne! Nunmehro hat Er mir erstlich mein Leben gerettet, und mein Herze vom Scheiterhaufen gerissen, auf dem es ohne Ihn gebrennet hätte sein Lebenlang!« Weinete hierauf für Freuden, als er sie auf seinen Schooß niederzog, und umbfing mit ihren Händekens seinen Nacken.

Saßen auch also und caressireten eine ganze Zeit, bis der Junker wieder mein ansichtig wurde und sprach: »was sagt Er dazu, es ist doch auch Sein Wille Ehre Abraham?« Ei Lieber, was hätte ich wohl dazu sagen können denn Alles Guts? Weinete ja selbsten für Freuden, wie mein Kind, und gab darumb zur Antwort: warumb es nicht mein Wille sein sollte, da es Gottes Willen wär? Aber ob der[242] gute und rechtschaffene Junker auch bedacht hätte, daß er seinem adlichen Namen einen Abbruch thun würde, wenn er mein Töchterlein, so als eine Hexe im Geschrei, und nahe vor dem Scheiterhaufen gewest, sich zu seiner Frauen nähme?

Hierauf sprach er: mit nichten, diesem hätte er längstens präcaviret und fuhr nunmehro fort uns zu erzählen, wie er es angefangen, nämblich S. fürstl. G. hätten ihme versprochen, alle Scripta, so er begehret, inner vier Tagen fertig zu halten, wo er von der Begräbnüß seines Vaters heimbzukehren hoffe. Wäre derohalben auch gleich wieder nach Mellenthin abgeritten, und nachdem er seinem Herrn Vater die letzte Ehr erwiesen, hätte er sich auch alsogleich wieder aufgemacht, und befunden, daß S.f.G. unterdeß ihr Wort gehalten. Mit solchen Scriptis wäre er nacher Wien abgeritten und wiewohl er viel Leid, Mühe und Gefahr unterwegens ausgestanden (so er uns ein ander Mal erzählen wölle) wäre er doch glücklich in diese Stadt gelanget. Alldorten hätte er aber von ungefährlich einen Jesuiten getroffen mit welchem er einstmalen als Studiosus etzliche Tage sein Locament in Prag gehabt, und selbiger ihme auf sein Anliegen geantwortet: er solle guten Muths sein, angesehen Seine Majestät in diesen schweren Kriegsläuften Geld gebrauche, und wölle er, der Jesuit, Allens machen. Solches wäre auch beschehen, und hätte die Kaiserliche Majestät nicht blos meinen Adelsbrief renoviret, besondern auch die Ehrenerklärung S.f.G. des Herzogen confirmiret, so daß er nunmehro männiglich Red und Antwort von wegen seiner Braut stehen könne, wie nachgehends von wegen seiner Frauen. Und als er nunmehro die Acta aus seinem Busen herfürzog und mir selbige in die Hand gab sprach er: aber jetzunder muß Er mir auch einen Gefallen thun Ehre Abraham, nämblich mich morgen, wo ich mit meiner Braut zu Gottes Tisch zu gehen[243] verhoffe, mit seinem Töchterlein einmal für allemahlen abzukündigen, und nachgehends schon übermorgen zu trauen. Sage Er nit Nein hiezu, denn mein Pfarrer, Ehre Philippus spricht, daß solches bei Adlichen in Pommern nicht ungebräuchlich, wannenhero ich auch zum Montage die Hochzeit in meiner Burg allbereits angesaget, als wohin wir fahren wollen und wo ich auch mein Beilager zu halten gedenke. Gegen solches Ansuchen hätte nun mancherlei zu moniren gehabt, insonderheit, daß er zu Ehren der heiligen Dreieinigkeit sich wöllte dreimal kündigen lassen, wie es der Brauch ist, und mit seiner Hochzeit annoch warten, aber da ich meim Töchterlein ansah, daß sie auch gern recht bald Hochzeit hätt, inmaßen sie seufzeln und so roth wie ein Scharlaken wurde, kunnt ich es ihnen nicht abschlagen, sondern versprach Allens, was sie wollten. Hierauf vermahnete sie Beide zum Gebet, und nachdem ich meine Hände auf ihr Haupt geleget, dankete ich dem Herrn so brünstiglich, wie ich ihm noch nimmer gedanket, also daß ich letzlich für meinen Thränen nicht weiter kommen kunnte, sondern sie mir meine Stimme ersäufeten.

Hierzwischen war aber des Junkers sein Wagen mit vielen Truhen und Koffers vor der Thüren angelanget, und sprach er: jetzo soll Sie auch sehen liebe Jungfer, was ich Ihr mitgebracht, und gab Befehlig Allens in das Zimmer zu tragen. Ei Lieber, welche schöne Sachen hatte es darinnen, so ich mein Lebtage nit gesehen! Allens was Weiber gebrauchen, war hier fürhanden, insonderheit an Kleidern, als Leibichen, gefaltete Höcke9, lange Mantel, zum Theil mit Futterfell verbremmet, Schleier, Schürzen, item das Brauthemd so mit güldenen Borten besetzet war und worauf der kurzweilige Junker an die sechs oder sieben[244] Mirthenbüscher vor sie geleget hatte, umb sich daraus selbsten einen Kranz zu machen. Item nahm es kein Ende an Ringen, Halskettlein, Ohrenperlein etc. so ich zum Theil vergessen hab. Auch wollte der gute Junker mich nit unbescheert hinterlassen, inmaßen er mir ein neu Meßgewand (dieweil das alte die Feinde geraubet) auch Futterhemde, Hosen und Schuhe, summa Allens was zur Mannskleidung gehört, mitgebracht hatte, weshalben ich nur im Stillen den Herrn anrief, daß er uns für solchen Staat und Hoffarth nit abermals in seinem Zorn strafen wölle. Als mein Töchterlein dieses Allens sahe, wurde sie betrübt, daß sie ihme nichts mehr geben könne denn ihr Herze allein, und die Kettin von dem schwedischen König so sie ihme umb den Hals hing, und ihn weinende bate, sie vor ein Brautgeschenke zu behalten. Solches versprach er auch letzlich und daß er sie mit in seinen Sarg nehmen wölle, doch zuvorab müsse mein Töchterlein noch damit vertraut werden, wie mit dem blauen seidinen Kleid, denn dieses und kein anderes sölle ihr Brautkleid sein, welches sie ihme auch angeloben mußte.

Doch mit der Magd begab sich noch ein seltsamer Fürfall, so ich allhier noch notiren will. Denn nachdeme das alte treue Mensch gehöret, was hieselbsten geariviret, war sie für Freuden außer sich, sprang und klatschete in ihre Hände, und sagete letzlich zu meim Töchterlein: nunmehro würde sie sicherlich nicht mehr weinen, wenn der Junker in ihr Bette liegen wölle, worüber selbige also erschaamrothete, daß sie aus der Thüren lief. Und als der Junker nunmehro wissen wollte, was sie damit sagen wölle, verzählete sie ihme, daß er schon einmal als wir von Gützkow kommen, in meines Töchterleins Bette geschlafen, worüber er den ganzen Abend seinen Kurzweil mit ihr hatte, als sie wiederkam. Der Magd versprach er aber, da sie schon einmal meines Töchterleins Bette vor ihn gemacht, sölle sie es auch zum andern Mal machen, und übermorgen[245] wie auch mein Ackersknecht, mit nacher Mellenthin fahren, damit Herrschaft und Gesinde sich nach so viel Trübsal zusammen freuen könnten.

Und da der liebe Junker bei uns die Nachtherberge nehmen wollte, mußte er bei mir in der kleinen Achterstuben schlafen (denn ich kunnte doch nit wissen was fürfallen würde). Schlief auch bald wie ein Dachs, aber in meine Augen kam kein Schlaf, für Freuden, sondern betete die ganze liebe Nacht oder gedachte an meine Predigt. Erst umb die Morgenzeit drusete ich ein wenig ein, und als ich aufstund saß der Junker schon in der Vorderstuben bei meim Töchterlein, welche allbereits das schwarze seidine Kleid anhatte, so er ihr mitgebracht, und wie durch ein Wunderwerk frischer aussahe, denn da der schwedische König kam, so daß ich sie mein Lebtage nit frischer und hübscher gesehen. Item hatte der Junker schon sein schwarz Wammes an und suchte ihr die besten Zweigleine zum Myrthenkranz aus, den sie sich wunde. Legte aber ihren Kranz sogleich auf die Bank, fallete ihre Händleins und betete nach ihrer Gewohnheit den Morgenseegen, als sie mich ankommen sahe, welche Demuth den Junker sehr erfreuete, und er bat es in Zukunft bei ihme auch also zu halten, was sie auch zu thun versprach.

Bald hierauf gingen wir auch zur lieben Kirchen in die Beichte und, dieweil der Junker mein Töchterlein unter ihrem Arm gefasset, blieb alles Volk für Verwunderung stehen und rißen den Hals auf, so weit sie kunnten. Sollten sich aber annoch mehr verwundern, als ich nach der Predigt erstlich die Ehrenerklärung Sr.f.G. mit der Confirmation der Kaiserlichen Majestät und nachgehends meinen Adelsbrief auf teutsch ihnen fürlas, und letzlich mein Töchterlein mit dem Junker zu kündigen begunnte. Lieber, da mürmelte es in der Kirchen nit anders als wenn die Bienen summen. (NN. Diese Scripta seind jedoch bei dem Feuer, so vor einem Jahr in der Burg auskam, wie ich[246] nachgehends vermelden werde, verbrennet, wannenhero ich sie allhier nicht in origine allegiren kann.)

Darauf gingen meine lieben Kinder mit vielen Volk zu Gottes Tisch, und nach der Kirchen kamen sie fast alle umb sie und wünscheten ihnen Glück. Item kam der alte Paassch noch auf den Nachmittag zu mir ins Haus, und bat mein Töchterlein abereins umb Vergebung, daß er sie unwissend beleidiget; wöllte ihr gerne ein Hochzeitsgeschenke verehren, aber er hätte jetzunder Nichtes, doch sölle seine Frau ihr zum Frühjahr ein Huhn setzen und wölle er dann selbsten die Küken nacher Mellenthin bringen. Hierüber mußten wir allzumalen lachen, insonderheit der Junker, welcher letzlich sprach: so du mir ein Hochzeitsgeschenke machest, mußtu auch zur Hochzeit geladen werden, darumb machstu wohl morgen mitkommen.

Worauf mein Töchterlein sprach: und Eure kleine Marie, meine Päten soll auch mitkommen und soll meine Brautjungfer sein, wenn es mein Herre erlaubet. Hierauf hub sie an, dem Junker Allens zu erzählen was mit selbiger durch die List des leidigen Satans fürgefallen und männiglich ihr zur Last geleget, bis der gerechte Gott ihre Unschuld gerettet, und bate, da der liebe Junker beföhle, daß sie dasselbige Kleid zu eim Traukleid haben sölle, worinnen sie den schwedischen König salutiret und nachgehends zum Scheiterhaufen gefahren sei, er ihr auch verstatten müge, ihre kleine Pätin, als indicium secundum10 ihrer Trübsal mit sich vor eine Brautjungfer nehmen.

Und als er solches versprach, hieß sie den alten Paassch sein Mädken ihr anhero zu schicken, umb ihr ein neu Kleid anzupassen, so sie schon für 8 Tagen vor selbiges zugeschnitten, und die Magd heute noch fertig nähen sölle, welches Allens den alten guten Kerl so erbarmete, daß er laut zu weinen begunnte und letzlich sagte: sie sölle es[247] nicht umbsonst gethan haben, denn vor das eine Huhn sölle seine Frau ihr nunmehro zum Frühjahr auch drei Hühner setzen.

Als er wegk war und der Junker nichts anderes thäte, denn mit seiner Braut schwätzen, beides deutsch, wie lateinisch, macht ich es besser und ging auf den Berg zu beten, wobei ich ihr nachfolgete, und auf den Scheiterhaufen stieg, umb hier einsamlich dem Herrn mein ganzes Herze zu einem Dankopfer zu bringen, dieweil dieses sein liebstes Opfer ist. Ps. 51, v. 19.

Die Nacht nahm ich den Junker wieder bei mir, aber als am andern Morgen kaum die Sonne auf –


Hiemit enden diese interessanten Mittheilungen, die ich nicht die Absicht habe, mit eigenen Zuthaten zu verwässern. Meine Leser, und insonderheit meine schönen Leserinnen mögen sich nun nach Gefallen das Glück dieses vortrefflichen Paares weiter ausmalen.

Alle weiteren historischen Spuren seines Daseins wie des Daseins des Pfarrers sind verschwunden, und nur ein in die Wand der Kirche zu Mellenthin gefügter Denkstein ist übrig geblieben, auf welchem der unvergleichliche Junker mit seinem noch unvergleichlicheren Weibe abgebildet ist, noch die »güldene Kettin mit dem Konterfett des schwedischen Königs« auf seiner treuen Brust. Beide scheinen kurz hinter einander gestorben und in einem Sarge begraben zu sein. Denn im Kirchgewölbe sieht man einen großen Doppelsarg in welchem, der Tradition zufolge, sich auch eine goldene Kette von unschätzbarem Werth befinden soll. Vor einigen 20 Jahren wollte der Gutsbesitzer v.M. welcher durch seine unerhörte Verschwendung nahe an den Bettelstab gekommen war, diesen Sarg öffnen lassen um daraus das kostbare Kleinod zu entwenden, aber er vermochte es nicht. Wie durch einen[248] mächtigen Zauber wurde er in seinen Fugen festgehalten und ist bis auf den heutigen Tag noch uneröffnet geblieben. Möge ers auch bis auf jenen großen Tag und nie die frevelnde Hand der Habsucht oder der Neugier diese heilige Asche heiliger Menschen entweihen! – Zum Schluß noch das Denkmal des guten Paares in getreuer Zeichnung.

1

Nach Schillers Übersetzung:

Sie selbst zur Furie entstellt

Vom gräßlichen Entschluß, der ihren Busen schwellt,

Mit bluterhitztem Aug', gestachelt von Verlangen,

Der Farben wechselnd Spiel auf krampfhaft zuckenden Wangen,

Jetzt flammenroth und jetzt vom nahenden Geschick

Durchschauert, bleich, wie eine Büste,

Stürzt in den innern Hof, und Wahnsinn in dem Blick

Besteigt sie das entsetzliche Gerüste.

2

plattdeutsch: für kränkeln, mit dem Nebenbegriff des Stöhnens.

3

Jesaias 38, 14.

4

Psalm 6, 7.

5

Ps. 103, 10.

6

Wie steht es süße Jungfrau?

7

gut, da ich dich erblickt habe.

8

Empfehlungsschreiben.

9

Die Bedeutung dieses Kleidungsstückes ist mir unbekannt, wenn es nicht etwa ein Schreibfehler ist und Röcke heißen soll.

10

zweites Wahrzeichen.

Quelle:
Wilhelm Meinhold: Maria Schweidler. Die Bernsteinhexe. Frankfurt am Main 11978, S. 236-249.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Bernsteinhexe
Maria Schweidler, die Bernsteinhexe: Der interessanteste aller Hexenprozesse, nach einer defekten Handschrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schweidler in Coserow auf Usedom
Die Bernsteinhexe
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler: Der interessanteste aller bekannten Hexenprozesse - Nach einer defekten Handschrift ihres Vaters, des Pfarrers Abraham Schweidler in Koserow auf Usedom
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Maria Schweidler, Die Bernsteinhexe, Der Interessanteste Aller Bis Her Bekannten Hexenprozesse; Nach Einer Defekten Handschrift Ihres Vaters Des . In Coserow Auf Usedom (German Edition)

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Horribilicribrifax

Horribilicribrifax

Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon