Lenzfahrt

[31] Am Himmel wächst der Sonne Glut,

Aufquillt der See, das Eis zersprang,

Das erste Segel teilt die Flut,

Mir schwillt das Herz wie Segeldrang.


Zu wandern ist das Herz verdammt,

Das seinen Jugendtag versäumt,

Sobald die Lenzessonne flammt,

Sobald die Welle wieder schäumt.


Verscherzte Jugend ist ein Schmerz

Und einer ew'gen Sehnsucht Hort,

Nach seinem Lenze sucht das Herz

In einem fort, in einem fort!


Und ob die Locke dir ergraut

Und bald das Herz wird stillestehn,

Noch muß es, wann die Welle blaut,

Nach seinem Lenze wandern gehn.


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 31-32.
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