Die Korsin

[96] Als das Mütterlein erkrankt,

Zog es ächzend aus die Schuh',

Ist dem Bettlein zugewankt,

Bettet' sich zur ew'gen Ruh,

Seine Haare weiß wie Flachs,

Seine Füße gelb wie Wachs –

Statt wie Mütterlein zu tun,

Sterb ich stracks in meinen Schuhn!


Heute war ich in der Stadt

Mit dem letzten Silberling,

Schaute, was der Krämer hat,

Kramte weder Kreuz noch Ring,

Kaufte Mehl von Weizenkorn

Und ein volles Pulverhorn –

In die freien Berge nun

Lauf ich stracks in meinen Schuhn!


Reiten just die Blauen1 aus,

Trinken beim Battista Wein,

Laden scharf am Zollerhaus,

Sprengen ins Gebirg hinein...

Rasch zur Linken abgeschweift!

Psss... Die erste Kugel pfeift –

Nächtens bei dem Liebsten ruhn

Werd ich stracks in meinen Schuhn![96]

1

Die Gendarmerie.

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 96-97.
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