LIV
Göttermord

[435] Heut aber tat ich, was die Frommen freut:

Entgöttert meine Schriften hab ich heut
[435]

Wo »Zeus« und »Herakles« zu lesen stand,

Schrieb »Jesus Christus« ich mit fester Hand.


Statt »Nektarkrügen« und statt »Bacchanal«

Setzt stracks ich »Abrams Schoß« und »Himmelssaal«.


Kein einz'ger Griechenschwur und Römerfluch

Prangt mehr in meinem Dialogenbuch.


Ich löge, sagt ich, wenn mir Bann und Acht

Des Heidenhimmels großen Kummer macht.


Das Wiesenbächlein flutet leicht und hell,

Was braucht's, daß eine Nymphe bad im Quell?


Brennt Herz und Stirn dem Zecher minder heiß,

Der nichts vom Kranz des Dionysos weiß?


Schiert's, ob man einen Sohn des Mars ihn tauft,

Den deutschen Knecht, der todeslustig rauft?


Was heißt: »Ich weihe dich der Furienschar?«

»Der Teufel hole dich!« ist kurz und klar.


Heut komm ich heim aus einer tapfern Schlacht:

Ich habe Götz und Götzin umgebracht!

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 435-436.
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