Der Gärtner

[267] (1775.)


Es war einmal ein Gärtner,

Der sang ein traurigs Lied.

Er thät in seinem Garten

Der Blumen fleißig warten,

Und all sein Fleiß geriet;

Und all sein Fleiß geriet.


Er sang in trübem Mute

Viel liebe Tage lang.

Von Thränen, die ihm flossen,

Ward manche Pflanz' begossen.

Also der Gärtner sang!

Also der Gärtner sang!


»Das Leben ist mir traurig,

Und giebt mir keine Freud'!

Hier schmacht' ich, wie die Nelken,

Die in der Sonne welken,

In bangem Herzeleid,

In bangem Herzeleid.«[267]


»Ei du, mein Gärtnermädchen,

Soll ich dich nimmer sehn?

Du mußt in dunkeln Mauren

Den schönen Mai vertrauren?

Mußt ohne mich vergehn,

Ach, ohne mich vergehn?«


»Es freut mich keine Blume,

Weil du die schönste bist.

Ach, dürft' ich deiner warten,

Ich ließe meinen Garten

Sogleich zu dieser Frist,

Sogleich zu dieser Frist!«


»Seh' ich die Blumen sterben,

Wünsch' ich den Tod auch mir

Sie sterben ohne Regen,

So sterb' ich deinetwegen.

Ach, war' ich doch bei dir!

Ach, wär' ich doch bei dir!«


»Du liebes Gärtnermädchen,

Mein Leben welket ab.

Darf ich nicht bald dich küssen,

Und in den Arm dich schließen,

So grab' ich mir ein Grab.

So grab' ich mir ein Grab.«


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 267-268.
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