Der Patriot an sein Vaterland

[205] 1773.


Süß ist der Name Vaterland,

Wo Einigkeit mit festem Band

Die Bürgerherzen kettet;

Wo jeder gern durch eignes Blut

Des Nebenbürgers Hab und Gut

Von Räuberhänden rettet.


Wo auf dem Thron Gerechtigkeit

Den Armen, der um Hülfe schreit,

Vor Unterdrückung schützet;

Und, von der Unschuld Wehr umschanzt,

In Lauben, die er selbst gepflanzt,

Der greise Bürger sitzet.


Wo alle Priester Christen sind,

Und kein Verführer unser Kind

Zu niedern Lüsten reizet;

Wo nur allein nach Sittsamkeit

Und Unschuld und Bescheidenheit

Das zarte Mädchen geizet.[205]


Wo man das graue Alter ehrt,

Auf Männerrat und Warnung hört,

Und offenherzig handelt;

Auf guten, strengen Sitten hält,

Und nicht die Einfalt erster Welt

In neuern Prunk verwandelt.


O welch ein Bild! O Vaterland!

Ich seh', das Auge weggewandt,

Auf ewig dich nicht wieder;

Und flieh', und bete noch für dich.

O, senkten meine Wünsche sich

Doch bald auf dich hernieder!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 205-206.
Lizenz:
Kategorien: