Erinnerung an Elisen

[203] 1772.


Einsam bin ich, meine Liebe!

Denke dein, und härme mich.

Wie ist mir die Welt so trübe,

Wie so traurig ohne dich!

Hier, wo keine Seele lauschet,

Klag' ich mit der Nachtigall,

Und in meine Klage rauschet

Trauriger der Wasserfall.


Aus verschränkten Buchenreisen

Girrt der Tauber seine Pein;

Amseln singen ihre Weisen

Auf dem Tannenbaum darein;

Grillen zirpen aus dem Moose,

Das mir keine Blum' erzieht,

Als die kleine, stille Rose,

Die in blasser Röte blüht.


Ach, Elisens süßes Bildnis,

Diese Thräne wein' ich dir!

Sei, in dieser öden Wildnis,

Sei ein Bild Elisens mir!

So, auf ferner Flur, verlassen,

Härmt im stillen sie sich ab;

So, wie deine Blätter, blassen

Ihre zarten Wangen ab.


O! ich sehe sie, und düster

Ist ihr holdes Angesicht;

In das leise Haingeflüster

Mischt sich ihre Stimme nicht;[204]

Alles mahnet sie des Glückes,

Das uns hier vorüberschwand;

Alles sie des Mißgeschickes,

Das von ihr mich weggebannt.


Weine nicht! Ein Tag vereinet

Bald auf ewig mich mit dir.

Dann, o meine Liebe, weinet

Nur der Liebe Glück aus mir!

Schöner, wie, nach Maienregen,

Eine Blumenwiese lacht,

Blickt uns dann der Tag entgegen,

Der uns ewig glücklich macht!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 203-205.
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