Elegie, an Amynten

[144] Im Herbst 1771.


Sei ruhig, armes Herz! Bald wird die Stunde schlagen,

Die dir Erlösung prophezeit,

Und nach so vielen Trauertagen

Zu kommen deiner Nacht gebeut.


Siehst du, die Schöpfung trau'rt! Dem nahen Tod entgegen

Welkt schon die sinkende Natur;

Ihr Pulsschlag klopft in schwächern Schlägen,

Und bald erlischt des Lebens Spur.


Schon sinkt der Blumen Schmuck; und keine neuen blühen

An den verwaisten Stätten auf,

Und totenfarbe Nebel ziehen

Sich aus dem trüben Strom herauf.


Der braune Wald, entblößt des farbichten Gewandes,

Nährt keine Liedersänger mehr,

Und jede Weidetrift des Landes

Ist herdenlos und freudenleer.


Bald wird des Winters Flor die Flur umher umweben,

Und alles sterben; – und auch mich

Wirst du, o Todesnacht, umgeben,

Und sterben, sterben werd' auch ich! –


O sei willkommen mir, du schönster Tag des Lebens,

Das ich – von dir, Amynt, bedau'rt,

Der du mein Leid gekannt – vergebens

Um meine Chloe durchgetrau'rt.


Du kanntest sie, Amynt! Von allen unsern Leiden

Warst du Vertrauter, littest mit;

Du sahst die Thräne, die beim Scheiden

Von unsern bleichen Wangen glitt.[145]


O Lieber! wenn noch Trost zu finden ist auf Erden,

So tröste sie, bis wir, vereint,

Uns wieder da umarmen werden,

Wo nicht verfolgte Liebe weint!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 144-146.
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