Erinnerung an einen Jüngling

[230] 1773.


Du, der sittsamste von allen,

Die mein Auge je gesehn!

O wie hast du mir gefallen!

Jüngling, ach wie bist du schön!


Deine sanfte Seele malte

Sich im ganzen Angesicht;

Solche warme Blicke strahlte

Mir ins Herz kein Auge nicht.


Als du sittsam mir dich nahtest,

Sah ich deine Wange glühn;

Als du mich zum Tanze batest,

Blicktest du zur Erde hin.[230]


Als du meine Hand berührtest,

Zitterte die deine dir;

Als du mich zum Reihen führtest,

Ach da schlug mein Busen mir!


Jüngling, sahest du sein Beben?

Sahst das Irren meines Blicks?

Ach, in meinem ganzen Leben

Denk' ich dieses Augenblicks!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 230-231.
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