Lied der Bauren beim Regen

[319] (Umarbeitung.)


Da sehn wir's wieder offenbar

Daß Gott uns nie vergißt,

Und jede Stund' im ganzen Jahr

Der beste Vater ist.

Da strömt, nach langem Sonnenbrand,

Sein Regenguß aufs dürre Land.[319]


Du lieber Gott, wie traurig sah's

Im Garten, Wies' und Feld!

Verdorrt war Korn, Gemüs' und Gras,

Das Laub von Hitz' entstellt;

Vor dickem Staub erblickte man

Von ferne kaum den Wandersmann.


Die welken Ähren neigten sich,

Und geblich ward ihr Grün;

Der zarte Flachs schwand sichtbarlich

Erstickt vom Unkraut hin;

Matt schlich das Vieh zur Weid' hinaus,

Und kehrte matter noch nach Haus.


Des Futters und der Milch beraubt,

Verfielen Kalb und Kuh.

Sie standen mit gesenktem Haupt,

Und sahn dem Jammer zu,

Und seufzten: Ach du lieber Gott!

Gieb uns und unsern Kindern Brot!


Da hieß, gerührt von Mitleid, Er

Die bangen Sorgen fliehn;

Schon sahn wir aus der Ferne her

Gewölk wie Schäfchen ziehn;

Und näher zog in raschem Lauf

Das Wetter schwarzgedrängt herauf.[320]


Die Sonne sank in Grau gehüllt,

Am schwarzen Wald hinab;

Und Regen rauschte kühl und mild

Aufs dürre Feld herab.

Und Donner jauchzten durch die Nacht,

Und priesen Gottes Lieb' und Macht.


Wie frisch hebt nun der Halm sein Haupt!

Wie blüht der Flachs so blau!

Wie steht der Baum so neubelaubt,

So glänzendgrün die Au'!

Und welch ein übersüßer Duft

Füllt rings umher die kühle Luft!


Das alles, lieber, guter Gott!

Hat deine Macht gethan.

Verschwunden ist des Winters Not,

Die wir uns drohen sahn!

Drum laß uns immer dir vertraun,

Und nie so ängstlich vorwärts schaun!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 319-321.
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