Ritter Richard

[296] Eine Ballade.


Der Ritter Richard sah einmal

Das Fräulein Adelgund,

Und herzlich that er seine Qual

Ihr unter Thränen kund;[296]


Und wurde bald erhört. Es sprach

Die Lieb' aus ihrem Blick,

Sie sahen sich an jedem Tag,

Und täglich wuchs ihr Glück.


Doch schneller schwand es, als der Strahl

Vom falben Abendlicht;

Hienieden dau'rt kein Glück, zumal

Das Glück der Liebe nicht.


Er soll in Krieg, er wappnet sich,

Giebt ihr den Scheidekuß;

Und sie umarmt ihn inniglich

Mit einem Thränenguß.


Doch trocknen, wie ein jeder weiß,

Der Mädchen Thränen bald;

Ihr Busen, eben noch so heiß,

Ward augenblicklich kalt.


Ein schöngeputzter Edelmann,

Herr Robert jung und fein,

Sah sie mit Liebesblicken an,

Und nahm sie jählings ein.


Zwar hatt' er, wie ihr Richard, nicht

Ein Herz ohn' allen Trug,

Doch lieblich war sein Angesicht,

Und das ist Mädchen g'nug.


Bald, schrieb ihr Richard, bin ich dein,

Ich komm', o Teure, schon;

Sie aber las, und lachte sein,

Und sprach ihm bittern Hohn;


Und flog zu ihrem Robert hin,

Und sprach: Bin ich dir wert,

So laß die Trauung uns vollziehn,

Eh' uns ein andrer stört.[297]


Kein Augenblick ward da gespart,

Man fuhr hinaus aufs Land,

Und gleich der zweite Morgen ward

Zum Trauungstag ernannt.


Indessen kömmt, mit Ruhm bekränzt,

Der Ritter Richard an;

Sein Busen pocht, sein Auge glänzt,

Das Fräulein zu empfahn.


Ach, was er da vernimmt! Die ist

Des Ritter Roberts Braut,

Und, eh' der zweite Tag verfließt,

Wird sie ihm angetraut.


Er flucht und betet, springt aufs Roß,

Und rennt im wilden Trab

Vor Fräulein Adelgundens Schloß,

Und hastig springt er ab;


Und will im ersten Augenblick

Die falsche Dirne sehn:

Doch höhnisch weist man ihn zurück,

Und läßt ihn staunend stehn.


Gott! ruft er rasend, welch ein Lohn!

Und stampft, und knirscht, und lacht,

Und eilt mit seinem Roß davon

Und tobt die ganze Nacht.


Die Dirn' indessen lachte sein

Mit ihrem Bräutigam,

Und hüllt' ins Brautgewand sich ein,

Sobald der Morgen kam.


Ein frischgeflochtner Blumenkranz

Umschlang ihr blondes Haar,

Und alles ging, in Prunk und Glanz,

Mit ihnen zum Altar.[298]


Des Priesters Stimme schallte schon,

Sie sprachen beid' ihr Ja.

Gott segn' euch! – Fluch euch! hallt' ein Ton

Und flugs war Richard da;


Und stieß das Schwert mit einem Stoß

Ins Herz dem Bräutigam,

Daß quellend sich sein Blut ergoß

Und schwarz am Altar schwamm;


Und mit der andern Hand ergriff

Er ungestüm das Weib,

Und stieß das Schwert, noch rauchend, tief

Ihr in den falschen Leib.


Dann warf er neben sich das Schwert,

Und knirscht' in wilder Wut,

Den Blick gen Himmel hingekehrt,

Und stampft' in ihrem Blut.


Dann floh er weg; der Haufen sah

Ihn unbeweglich fliehn,

In tiefem Schweigen stand er da,

Und ließ den Mörder ziehn.


Die beiden lagen ausgestreckt

Und röchelten nicht mehr;

Ihr Blumenkranz mit Blut befleckt,

Sein Aug' Empfindungleer.


Drauf ward ein doppelt Grab gemacht.

Ein feierlicher Zug

Kam um die stille Mitternacht,

Der die Erschlagnen trug.


Erst senkte man beim Fackelschein,

Der blasse Leuchtung gab,

Den toten Ritter Robert ein,

Dann ging's zu ihrem Grab.[299]


Und – Gott im Himmel – Richard riß

Sich wütend aus der Gruft,

Und sank, indem er sich durchstieß,

Mit Schreien in die Kluft.


Die Träger flohen alsofort

Zum Kirchhofthor hinaus,

Und jetzo noch ist dieser Ort

Dem ganzen Land ein Graus.


Um tiefe Mitternacht erscheint

Das Fräulein hier im Flor,

Und ringt die bleichen Händ' und weint,

Und Robert steigt empor;


Und hinter ihm hebt wild und stumm

Sich Richard aus dem Grab,

Und beide sinken wiederum

Mit Zeterschrei hinab.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 296-300.
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