Scena III.

[36] Neben etlichen geharnischten Dienern / einem Pagen / Hoffmeister / Lieutenant / Wachtmeister /Secretario, Regimentschultzen / und einem andern Officirer / tritt unter dem Trompeten- und Heerpauken-Schall auff.


MARS. Ich / der in aller Welt beruffne Kriegs-Gott / Mars, habe mich nun über 40. Jahr in den Haupttheilen der Welt / vornehmlich aber in Europa wohl gedummelt / und viel hundert taufend tapfere Soldaten / und manchen vortrefflichen General unter meinem Commando gehabt / die mir auch biß in ihren Todt redlich gedienet / und ihr Blut auff meinen Altaren / das ist / in offentlichen Feldschlachten / oder vor und in den Vestungen unerschrokken vergossen. Daß ich also gäntzlich dafür halte / man werde von mir biß an der Welt Ende zu sagen un zu schreiben wissen / gestalt denn schon etliche grosse und starcke folianten des Theatri Europaei von solchen meinen Helden-Thaten publiciret worden / derer geringern Bücher zu geschweigen / als welche nicht[36] wohl zu zählen seyn. Als aber mein Ruhm auff die höchste Spitze oder Gipfel nunmehro auff gestiegen war / siehe / da kam meine abgesagte Feindin Irene, und stifftete im Römischen Reiche Friede. Was vor Vnwillen ich hieraus empfunden / ist leicht zu ermäßen. Die Kallmenserischen Poeten / und geschossenen Kupfferstecher nahmen dannenhero Gelegenheit / mich auffs ärgste zu verspotten / und liessen Scoptische Gedichte und Gemälde wider mich in die freye Welt ausfliegen. Da wurde Mars bald tod krank / bald gar todt / praesentiret / und endlich mit Schand und Spott unter dem Gelächter und Frolokken der Bauren begraben. Da man doch hätte bedenken sollen / daß die Götter weder erkranken noch ersterben. Jedoch ließ Ich das Hertz deßwegen nicht in die Kniehscheibe fallen / sondern erinnerte mich / daß / ob gleich im Römischen Reich Friede geschlossen / auch Spanien mit Holland verglichen / nichts desto minder die Sache zwischen Franckreich u Spaniennoch nicht beygeleget werden können / und ich also in solchen Landen manche blutige Schlacht zu halten Gelegenheit haben würde / wie auch erfolget ist. Darnach war mir unentsunken / daß auch Schweden und Polen noch ein Ey mit einander zu theilen hätten / weil die Pohlen den Schwedischen Titul und Wapen nicht fahren lassen / die Schweden aber den Polen solche nicht gut heissen oder einräumen wolten. Vnd ich brachte es endlich dahin / daß der Großmächtige König in Schweden mit einer formidablen Armee in Polen[37] einbrach / und darinnen nicht wenig Blut auff beyden Seiten vergossen wurde. Ja ich wikkelte hernach noch viel mehr hohe Potentaten in diese Action, biß ich meine Waffen über das Baltische Meer in Dennemark hinein brachte / da denen Schweden eine wunderliche Brükke übers Meer ohne Hände gebauet / und die Thür zum Kriege erst recht eröffnet wurde. Wie mich solche actiones erfreuet / kan ich nicht sattsam beschreiben. Aber meine Thaten wurden dazumahl durch die Zeitungsschreiher dermassen ungründlich referiret / daß denen Historicis, im Fall sie nicht selbst mit eingeflochten gewesen / schwehr seyn wird / die Wahrheit von den Lügen zu sondern. Als nun das Spiel recht ernstlich getrieben wurde / begunte Irene abermahl mir den Compaß zu verrukken. Denn es wurde im Kloster Oliva / nicht gar weit von Dantzig / ein allgemeiner Friede zwischen den höchsten Häuptern gestifftet / und endlich auch die Zwispalt zwischen Spanien und Franckreich / und zwar durch Hülffe meiner untreuen Veneris. mit der ich wohl ehe / wider ihres Mannes Willen / ein gut Gelakgen gehabt / geschlichtet / in dem Venus dem Frantzösischen erzürneten Monarchen eine so schöne Infantin in die Arme gab / daß er alles Vnwillens darüber zu vergessen begonte. Vnd damals hatte es das Ansehen / als wäre kein Ort in der Welt mehr übrig / da förderhin Mars etwas gelten möchte. Denn auch die Portugiesen sich sehr bemüheten / mit in den Franhös- und Spanischen Frieden eingeschlossen zu werden.[38] Aber nach dem Portugal von Franckreich verlassen / und also ausgesetzet wurde / begunte mir der Muth wieder zu wachsen. Denn ich konte mir leicht einbilden / daß selbiges Königreich hinfüro mein Dummelplatz seyn müste. Demnach dann gleich ietzo die Hatze recht angehet / und man in Spanien nach einer grossen Armee trachtet; als erkenne ich billich diese meine Glückseligkeit / und werde nicht unterlassen / ein mächtiges Volck zu versamlen / dem Großmächtigsten Monarchen in Spanien damit behülfflich zu erscheinen. Massen ich zu dem Ende meine Werber in unterschiedliche Provincien ausgesendet.


Hier werden Trompeten und Heerpauken gehöret. Darnach redet.


MARTIS LIEUTENANT. Herbey / ihr jungen Pursche und generose / lebhaffte Gemühter / herbey / herbey. Jetzt wil ich euch sagen / was ihr zu gewarten habet / weñ ihr euch diesem großmächtigsten Helden und Kriegs-Gotte Marti untergeben und treulich dienen werdet. Zwar ich kan wohl geschehen lassen / daß ihr zu Hause hinter dem Ofen oder Kamin sitzet / und die Aepffel bratet: aber dadurch werdet ihr wenig Ehre / und noch viel weniger Geld und Gut erlangen. Im Gegentheil / wer sich in meines Generals, den ihr da in seiner Majestät stehen seher / Dienste einlassen wird / der darff weder vor dignität und Ehre / noch von Güter und Reichthum / am wenigsten aber vor Lust[39] und Ergetzlichkeit sorgen. Denn dieser mein General wird in weniger Zeit gantz Portugal / das allerreicheste Königreich / in seinen Händen haben / seine Soldaten werden der reichen Portugiesen Güter nicht nach tausend und tausend Kronen / auch nicht nach Tonnen Goldes / sondern nach Millionen unter sich vertheilen. Vnd wenn nun die Rebellen gedemütiget un bändig gemacht worden / da wird mein General einen zum Commandanten in einer Festung / den andern zum Hauptmann über etliche Graff- und Herrschafften / den dritten zu was anders befördern. Hat auch einer unter euch etwas studiret / so kan er Cantzlers / geheimbten Raths / Reichs- Secretarien und dergleichen Stellen betreten / und also den Beutelie mehr und mehr spikken. Die schönsten Damen un Lande werden sich glükselig schätzen / wenn sie nur iemand von den siegreichen Vberwindern zum Ehegemahl bekommen. Ist er gleich von geringem Stande / so kan er vor seine treue Dienste / nach dem er eine Gräfin oder Freyin erlanget / gar leicht zu nohtwendigem Adel erhaben werden. Vnd werden nicht alle Jungfrauen des Landes derer Vberwinder Mägde seyn müssen? Darum versäumet den Markt nicht / kaufft / weil er vor der Thür ist / und gebet nicht zu / daß man künfftig von euch sagen könne / ihr wäret euch selber im Liechte gestanden / und hättet euch in euer grosses Glük nicht richten wollen. Wer Lust hat zu dienen / er melde sich in dem Gasthofe zum güldenen Beutel allhier an. Da soll er ein statlich Stück[40] Geld auff die Faust kriegen / und wohl mundiret werden.


Darauf wird geblasen und gepauket / und gehen alle ab.


ARIOPHILUS. Es mag zu Hause bleiben und Aepfel braten / wer da will. Es mag über den leblosen Büchern liegen und kalmeusern / wem es gefället. Ich soll und muß einen Soldaten agiren.


Gehet auch ab.


SECRETARIUS MARTIS. Wie ein thöricht- und thummes Ding ist doch die Jugend! Ich habe mit grossem Verwundern gesehen / wie die Junge Pursch / nach dem der Werber die Trummel rühren und Mars die Trompeten blasen lassen / darein die Heerpauken geschlagen wurden / Hauffen weise zu lieffen / nicht anders / als ob sie eine Comœdien sehen / oder an einen anmuhtigen Dantz gehen solten. Da waren alle Ermahnungen aller Eltern und Praeceptorum verlohren. Deñ die Ohren waren durch den Trompeten- und Pauken-Schall dermassen erfüllet / daß nichts mehr hinein oder hindurch konte. Die Augen waren also verblendet / und mit Martis Pracht bethöret / daß sie nichts mehr sehen konten. Wie aber ihnen der Krieg künfftig gefallen werde / haben sie zu erfahren. Mir ist es ebenso ergangen. Ich hatte meine studia glüklich / und zwar eine geraume Zeit / tractiret. Aber das Kalbfell lokte mich aus der Schulen / da ich gleich ietzo auff die Universität ziehen solte. Es[41] wurde mir auch mit Mund und Hand versprochen / ich solte alsobald Regiments-Secretarius werden. Als ich aber heute Geld genommen / und selbigen gantzen Abend Herr Secretarius tituliret worden / gab man mir den folgenden Morgen eine Mußqvete auf den Bukkel / die ich wohl drey Jahr tragen / und mich offtermahl schimplich Herr Secretarius nennen lassen muste. Nach vielem suppliciren und bitten / ja betteln / wurde ich endlich bey einem Capitayn ein elendes Schreiberchen / und hatte fast täglich / wenn ich ihm des Abends die Stiefeln oder Schuhe auszog / ein paar frische Maulschellen auf beyde Bakken zum Trinckgelde / biß so lange sich Mars meiner erbarmete / und mir das Secretariat nach vielen Jahren anvertrauete. Wie ich aber noch diese Stunde von den hochmühtigen Kriegs-Gurgeln gehalten werde / das weiß ich am besten. Der Krieg ist zwar eine Comoedia, aber es agiret darinnen einer selten mehr / als einmahl. Es ist ein Dantz / aber darinnen man gemeiniglich den Kopff verdantzet. Ariophilus mag zusehen / wie er den Seinen behalte. Denn er kommet mir sehr plump vor.


Nun agiren die Moriones.


Quelle:
Johann Sebastian Mitternacht: Dramen. Tübingen 1972, S. 36-42.
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