Was rufst du ...

[19] Was rufst du, traurig Herz! sei still!

Es kann nicht sein –

ergieb dich drein.

Es kann nicht alles also sein,

wie deine Sehnsucht will.


Nimm Abschied, Herz, von deinem Traum,

er war zu schön.

Von lichten Höhn

wieder hinab

ins einsame Grab!

Schau, dort fliegt's,

was du geträumt ...

Die Welle wiegts

hinab zu Tal ... –

Zerschäumt, zerschäumt!

Es war einmal ...

O Dunst und Schaum!

Nimm Abschied, Herz, von deinem Traum,

er war zu schön.


Weine, mein Herz, soviel du magst,

klag und wein!

Es wird dein letztes Weinen sein

auf lang.

Ich weiß, daß du nicht fürder klagst,[20]

wenn dieser Schmerz sich niederzwang.

Dann wirst du hart

und schweigst erstarrt ...

Weine, mein Herz! klag und wein!

Es wird dein letztes Weinen sein

auf lang.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973, S. 19-21.
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