Dritter Auftritt.

[59] Assad allein


ASSAD.

Komm, Tod, geendet sind die Qualen,

Der Seele Kraft hab' ich ervrobt,

Der wilde Sturm hat ausgetobt.

Mit meinem Leben will ich zahlen

Der Gotteslästerung schwere Schuld.

O, nimm mich auf, du ew'ge Huld!


Sich erhebend, ruhig.


Als Führer in das Jenseits tritt

Dein lieblich Bild vor meine Seele,

Du Engel, den ich mir erwähle,

Du bist es, meine Sulamith.


Die Luft nimmt nach und nach eine düstere, rötlich glühende Färbung an. Mit warmer Innigkeit.


Du Ew'ger, der mein Aug' gelichtet

Nach der Verblendung trüber Nacht,

:,: Du Vater, der barmherzig richtet,

Was seiner Kinder Wahn vollbracht, :,:

O neige dich aus deinen Höhen,

Erhöre meine letzte Bitt',[59]

Für mich nicht ringt zu dir mein Flehen,

:,: Herr, Segen über Sulamith! :,:

Ich trage, was ich selbst verschuldet,

Mich treffe deiner Strafe Pein,

Doch sie, die nur für mich geduldet,

Laß deiner Huld empfohlen sein!

Ein letzter Gruß aus diesem Leben

An die, die liebend für mich litt!

O Gott, mögst du wie sie vergeben,

Herr, Segen über Sulamith!


Die abziehende Königin mit ihrem Gefolge erscheint als Gruppe in einer Fata Morgana. Das Bild wird in dem darauffolgenden Sturme verschlungen. Sandwolken fegen im Hintergrunde über die Bühne, und verdunkeln vorübergehend die Luft.


Vom Himmel tönt mir Antwort wieder,


In heftiger Steigerung.


Der Samum peitscht der Wüste Meer,

Begrabet meine müden Glieder,

Türmt euch, ihr Wogen, um mich her!

Wenn deiner Engel Tuben schallen,

Der Richter mir entgegen tritt

Soll noch mein letzter Hauch verhallen:


Wie ohnmächtig nach Luft und Atem ringend.


Herr, Segen, dein Segen über Sulamith!


Er stürzt unter dem Palmbaum zusammen.


Eine mächtige von rechts hereinbrechende Sandwolke stürmt nach links vor der Palme vorbei. Die Bühne ist vollkommen verfinstert. Das Vorbeiziehen dieser Sandwolke ist lange andauernd und nach und nach den Hintergrund gänzlich verhüllend, auch Assad wird unsichtbar. – Der Sturm läßt allmählich bis zum vollkommenen Erlöschen nach.
[60]


Quelle:
Karl Goldmark: Die Königin von Saba, nach einem Text von H.S. Mosenthal, Leipzig [1912], S. 59-61.
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