XI. Brief.

Das Fräulein v.S. an das Fräulein v.W.

[101] den 30 Nov.


Das ist zum Todlachen! Keinen lustigern Auftritt könnte mein Oncle liefern, als den er im Begriff ist uns sehen[101] zu lassen. Vernehmen Sie die große Begebenheit, die sich in wenig Tagen ereignen wird. Ich zweifle nicht daran, daß das Vorhaben wirklich ausgeführt wird. Es kommt nur auf Sie an, und Sie haben Sich einmal anheischig gemacht, das Spiel nicht zu verderben ich halte Sie nun bei Ihrem Worte. Seyn Sie stolz auf die Ehre, die Ihnen zubereitet wird, mein Oncle beschäftiget sich gegenwärtig Ihren Namen unsterblich zu machen. So einer edlen Bemühung werden Sie nicht widerstehen können, ja er wird dadurch Ihr Herz gewiß erobern. Damit ich Sie nicht, nach meiner Gewohnheit, mit einem langen Geplaudere aufhalte, und Ihre Neugierde, die ich schon genug gereizt zu haben glaube, lange quäle; so will ich es Ihnen mit einem Worte sagen, daß der Herr v.N. entschlossen ist, eine Akademie der Wissenschaften in Kargfeld zu errichten, die nach Ihrem Namen die Julianen Akademie genennet werden soll. Wenn es nicht ein so gar artiger Spaß wäre, so würde ich nicht zugeben, daß[102] Ihr Name gemißbraucht wird; doch der Einfall ist zu lustig, daß ich mich bemühen sollte, dir Ausführung davon zu hintertreiben. Lehnen Sie dem Baron und mir einmal Ihren Namen, um einen Scherz vollkommen zu machen. Damit Sie an der Sache vollkommenes Licht erhalten, so hören Sie jetzt meine Erzählung, und hernach lesen Sie die Innlagen meines Briefs. Es sind deren viere, ein Brief des Herrn Lampers an den Baron, eine Nachricht von der Einrichtung der Julianen Akademie, ein Verzeichniß der Mitglieder, die sogleich bei Eröffnung derselben sollen aufgenommen werden, und die Antwort des Barons. Ich darf Sie nicht erinnern, daß ich mir die Einschlüsse bald wieder ausbitte, Sie wissen dieses schon. Lassen Sie Sich es nun erzählen, wie mein Oncle sich diese Gedanken hat einfallen lassen, und warum er so feste darauf beharret, sein Vorhaben auszuführen. Der Baron fand gut, Ihrer Kritik ungeachtet, das Schreiben an meinen Oncle so zu lassen, wie er es entworfen[103] hatte, ohne darinne das geringste zu ändern. Sie sind gar zu zärtlich, und machen sich über Umstände, die ich nicht einmal wahrnehme, einen Hausen Bedenklichkeiten. Wir sind in Schönthal nicht so gesinnet. Der Baron blieb bei seinem Entschluß, und schickte meinen Oncle den Brief so, wie Sie ihn gesehen haben. Den Tag darauf machte er ihm in Person einen Besuch, um zu sehen, wie er mit dieser Nachricht zufrieden wäre. Er nahm sich zugleich vor, diese Erzählung zu vermehren und zu vorbessern, wenn er es rathsam finden würde. Der Herr v.N. ist mit der Art, wie Sie seine Glückwünsche sollen aufgenommen haben, überaus vergnügt gewesen. Er hat zwar allerlei Betrachtungen angestellet, ob die vergnügten Bucke, die der Baron Ihnen, bei der Vorlesung der Glückwünsche angerichtet, mehr diesen oder dem Leser zugeeignet werden könnten: doch Herr Lampert, der alles gern zu einem Vortheile ausleget, hat das erstere so geschickt behauptet, daß alle Zweifel[104] verschwunden sind. Sein Vergnügen würde vollkommen gewesen seyn, wenn ihm nicht der Punct von dem Französischen Sonnet und den demantenen Ohrenringen die Freude sehr gemäßiget hätten. Ich hätte mich mit dem Baron zanken mögen, daß er durch diese Erdichtung das unschuldige Vergnügen meines Oncles unterbrochen hat. Doch eben dieses hat zu einer neuen komischen Handlung Gelegenheit gegeben. Der Herr v N. hat den Baron ersucht, ihm einen Rath zu erteilen, wie er diesen tödtlichen Streich, den sein Gegner durch ein so glänzendes Geschenke seiner Liebe versetzt zu haben glaubte, fruchtlos machen könnte. Der Baron hat die Verwegenheit gehabt, ihm das anzurathen, was Sie so sehr fürchten, daß er Ihnen ein Geschenke machen sollte, das noch zweimal größer wäre, als das Sie von seinem Rival erhalten hätten, oder nach seiner Sprache mich auszudrücken, er sollte einen höhern Matador einsetzen. Fürchten Sie nichts, dieser Vorschlag ist sogleich verworfen worden.[105] Sie kennen meinen Oncle nicht, wenn Sie glauben, daß er in die Versuchung gerathen dürfte, bei seiner Liebe großen Aufwand zu machen. Sie werden nicht leicht durch ein wichtiges Geschenke von ihm in Verlegenheit gesetzet werden. Er ist gewohnt seine Anschläge, die alle ins Große fallen müssen, um wenigen Kosten auszuführen. Herr Lampert, der unerschöpflich ist an witzigen Erfindungen, und alle Absichten meines Oncles gern mit den seinigen verbindet, um sie desto leichter auszuführen, hat seit einiger Zeit, ich weiß nicht was für wunderliche Träume gehabt, Kargfeld in einen Sitz der Künste und Wissenschaften zu verwandeln. Ich wünschte, daß er so reich an Mitteln als an Anschlägen wäre, so würde er aus diesen Ort gewiß ein Versailles oder Paris machen. Sie wissen, wenn mein Oncle geheimen Rath hält, daß er darinne Sitz und Stimme hat. Seine Einbildungskraft giebt ihm also bei der Unentschlossenheit, worinne er den Baron siehet, den Herrn v.N. durch gute Rathschläge[106] zu unterstützen über seinen Gegner die Oberhand zu gewinnen, sogleich ein Mittel an die Hand, seinen Gönner aus der Verlegenheit zu ziehen, und dadurch sein Vorhaben, das schon einige mal von uns auf eine spöttische Art ist herumgenommen worden, zugleich mit auszuführen. Er wagt es bei einer so günstigen Gelegenheit noch einmal, den Vorschlag von Errichtung einer Gesellschaft der Wissenschaften en Mignature, zu erneuern, und solche die Julianen Akademie zu nennen. Der Baron, dem die geschickte Wendung des Magisters, sein Vorhaben auszuführen, und überhaupt das seltsame in diesem Anschlage gefällt, ergreift die Parthei des Herrn Lamperts mit einem angenommene, Eifer, und stellet dem Herrn v.N. die Sache aus einem so vorteilhaften Gesichtspuncte vor, daß dieser ihm mit Vergnügen beifällt, und die glückliche Stunde mit Sehnsucht erwartet, in welcher sie zur Ehre seiner Göttin ausgeführet werden soll. Lampert hat zu dieser Absicht die Aufsätze[107] verfertiget, welche ich Ihnen hierdurch mittheile.


Es ist auch in der That nichts geringes, und ich beneide Sie bald selbsten, daß Ihnen zu Ehren eine Akademie errichtet wird. Wenn Sie nicht ganz und gar stoisch gesinnt sind, so muß eine solche Ehre den lebhaftesten Eindruck in ihr Herz machen. Der Entschluß meines Oncles ist höchstgroßmüthig; er als der Stifter einer Akademie, hätte das Recht, solche mit seinem Namen zu belegen: aber wie vortreflich! er thut darauf Verzicht, um sie einem Frauenzimmer zu widmen, das er liebt. Es ist dieses ein so augenscheinlicher Beweis von seiner Leidenschaft für Sie, daß demantne Ohrengehänge und ich weiß nicht was für Kostbarkeiten, damit in gar keine Vergleichung können gesetzet werden. Wenigstens sind dieses die Gedanken meines Oncles und des Herrn Lamperts, die Sie ihnen auch selbst nicht würden abstreiten können. Sie dürfen sich nicht daran stoßen, daß[108] diese gelehrte Gesellschaft aus ganz verschiedenen Gliedern bestehet; die ansehnlichsten sind in keinem Theile der Welt anzutreffen, außer nur in einem Romane. Doch wenn diese ehrlichen Leute wirklich wären, so würden sie sich sehr wundern, daß unsere Schulmeister und Verwalter von ihnen Collegen sind. Ich habe dieses schon dem Baron vorgeworfen, der auch ein Ehrenmitglied dieser Gesellschaft abgeben wird, er hat mir aber versichert, daß im Reiche der Gelehrten, in so fern sie nur als Gelehrte betrachtet werden, kein Rang beobachtet würde, sondern daß diese Herren auf einen Fuß mit einander lebten, wie die alten Lacedämonier oder die Brüdergemeine zu Herrenhuth, daher käme es, daß der Geringste in der gelehrten Republick, den angesehensten auf einen gelehrten Zwiekampf herausfordern dürfte, welches sich oft zutrüge; die gelehrten Cavaliers bleiben einander mit der Feder so wenig schuldig als die Adlichen mit dem Degen. In so ferne er sich als einen Gelehrten betrachtete,[109] so sey es keine Schande einen Schulmeister auf der gelehrten Bank neben sich zu haben. Was das schlimmste ist, so gehören die meisten Glieder dieser Akademie nur in sehr uneigentlichem Verstande zu den Gelehrten. Doch, wie gesagt, dieses alles macht nichts aus, weil unter den Gelehrten kein Rang beobachtet wird, Lampert aber ein grundgelehrter Mann, alle Mitglieder für gelehrt erkläret hat: so ist diese Akademie so gut, als wenn sie aus Staatsministern in Ordensbändern, Prälaten und Superintendenten bestünde, und Sie erhalten also dadurch alle Ehre, die Ihnen eine kaiserliche Akademie ertheilen könnte, wenn sie von Ihnen den Namen entlehnet hätte. Ich verspreche mir vortrefliche Werke von dieser Gesellschaft, und mache mir Hoffnung, nicht lange darauf warten zu dürfen, wenn Sie bey dem Entschluß bleiben, meinen Oncle zu besuchen. Ich könnte meinen Brief noch ziemlich verlängern, wenn ich heute Lust zu plaudern hätte, oder mich in eine ordentliche[110] Beantwortung Ihres Schreibens einlassen wollte: ich will aber beides auf eine mündliche Unterredung spahren. Wenn Sie eben so vielen Geschmack als ich an dem Witze des Herrn Lamperts fänden, so würden die Innlagen dieses Briefs Ihnen zu einem artigen Zeitvertreibe dienen. Ich liebe Sie von Herzen. – – Das sollte eigentlich der Schluß von meinem Briefe seyn, aber ich erinnere mich eben jetzt noch an einen wichtigen Punkt, den ich nicht mit Stilleschweigen übergehen kann. Sie sagen mir ja auf eine recht ängstliche Art, daß der Major wieder zu seinem Regiment gerufen ist. Das hat etwas zu bedeuten. Ich hatte Lust ihn zu einem Mitgliede der gelehrten Akademie meines Oncles aufnehmen zu lassen, und dachte das Vergnügen, zu haben, ihn sehr schöne Reden halten zu sehen, nun komme ich auf einmal um diese Freude. Ich verliere ihn nicht gerne aus der hiesigen Gegend, ich gestehe es. Er ist ein lustiger Mann, der alles aus sich machen läßt, und um uns etwas zu lachen zu geben,[111] gewiß ein gelehrtes Mitglied der Akademie worden wäre. Sie lassen ihn auch nicht gleichgültig abreisen, das ist außer Zweifel. Die Art, womit Sie mir seinen Abzug verkündigen, verräth einige Unruhe. Warten Sie, ich habe ein artiges Liedgen gehabt, wenn ich es finden kann, so sollen Sie es bekommen, ich will es gleich suchen. – – – Da ist es! Wahrhaftig, es schickt sich vortreflich auf die Abreise des Majors; es paßt aber auch auf Sie wie der Planete. Sie haben den Namen Iris von ihrem Anbeter erhalten, recht als wenn sie es mir einander abgeredet hätten, das ist lustig! Eine Abschrift davon will ich behalten, es sind Virtuosen in der Akademie, ich will einem ein gut Wort geben, oder ich will mich in einer Bittschrift an das ganze Corpus wenden, damit es collegialisch componiret wird. Die Melodie soll so rührend ausfallen, daß es einem jammern soll, der es hört. Dichten Sie Sich unterdessen selbst eine Melo die, wenn ich Sie besuche, wollen wir dieses kleine Concert[112] aufführen. Sie spielen und ich singe, dabei bleibt es.


CHANSONNETTE

Iris il faut partir!

Mon coeur rempli de larmes

En quittant tous Vos charmes

Ne sait que devenir:

Iris il faut partir.

Je m'en vais à l'Armée,

Ne soyez pas affligée;

Du bruit de nos combats

Ne Vous effrayez pas.

Nous saurons nous defendre,

Avant que de nous rendre,

A de braves François

Ennemis de la paix.


Mon cher Damon allez

Ou l'honeur Vous appelle,

Ne soyez moins fidelle,

Tant que Vous vivrez:

Mon cher Damon allez.[113]

Ayez soin d'une vie,

Qui n'est pas moins cherie,

Et que mon tendre coeur

Aime avec tant d'ardeur.

Complez sur ma constance,

Et ayez l'esperance

Qu'un si parfait amour

Est payé de retour.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 101-114.
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Grandison der Zweite oder Geschichte des Herrn von N.
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