XII. Brief

Vom Herrn Lampert Wilibald an den Herrn v.F.

[114] den 29 Nov.


Wenn es ein Glück zu nennen ist, zu einer Zeit zu leben, die an großen und merkwürdigen Begebenheiten fruchtbar ist: so sind die jetzigen Bewohner der Erde allerdings glücklich zu preisen, daß sie in einem Jahrhunderte leben, das einen Ueberfluß an Begebenheiten aufzuweisen hat[114] die die Geschichte dereinst verewigen wird. Ich will nicht an die Helden gedenken, die die Kriegskunst auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit gebracht haben; ich will jene großen Männer, die sich am Ruder des Staates einen unvergeßlichen Namen gemacht haben, in keine Betrachtung ziehen: ich will nur einen Blick auf die gelehrte Welt thun, und den Flor der Wissenschaften beschauen, um darzuthun, daß unsre Zeiten nicht schlimmer werden, wie alle verlebte Leute aus Vorurtheil glauben, sondern daß wir in den besten und glückseligsten Zeiten leben.


Die Ausbreitung der Wissenschaften gehöret ohne Zweifel mit zu den merkwürdigsten Dingen, die unserm Zeitraume ein so glänzendes Ansehen geben. Wie viele große Männer könnte ich nennen, wenn es hier der Ort wäre, die durch ihre ausgebreitete Erkenntniß in allen Theilen der Wissenschaften, und besonders durch die Erfindung wichtiger[115] und neuer Wahrheiten sich ein so ehrwürdiges Ansehen verschafft haben, daß sie den berühmtesten Gelehrten aus den berühmtesten Völkern und in den berühmtesten Zeiten die Woge halten, wo sie solche nicht gar übertreffen. Anstatt aller Beweise darf ich nur die Königin der Wissenschaften, wie sie von einigen Gelehrten mit Recht ist genennet worden, oder die Seele aller Künste die herrliche Metaphysik anführen. Wie diese verehrungswürdige Disciplin den Grund aller menschlichen Erkenntniß erhält, zu einer jeden wichtigen Handlung aber die mit Vorsatz ausgeführet wird, ein großer Grad der Erkenntniß gehöret; so kann sie auch als der Grund aller großen Begebenheiten, die unsern Zeitraum merkwürdig machen, angesehen werden. Sie ist es, durch welche die Fürsten weislich regieren, die Generale Schlachten gewinnen, Städte in so viel Tagen einnehmen, als man ehedem Jahre dazu brauchte. Sie ist es, wodurch das Recht der Völker und einzelner Personen entschieden wird.[116] Wie könnte das Recht gehandhabet werden, seitdem die Sophisten unsrer Zeiten die Sachwalter und Advokaten auferstanden sind, und der Gerechtigkeit eine wächserne Nase angesetzet haben, wenn die Metaphysik nebst ihrer getreuen Gespielin der Vernunftlehre die Menschen nicht unterwiesen hätte, das Wahre von dem Falschen, und das Licht von dem Schatten zu unterscheiden.


Doch die Wissenschaften würden noch lange nicht in dem Glänze stehen, worinne sie sich befinden, wenn nicht gewisse gelehrte Gesellschaften wären errichtet worden, die mit zusammengesetztem Eifer das Reich der Wahrheiten zu erweitern sich bemühet hätten. Diese verdienen eine besondere Stelle unter den Vorzügen, womit unser Zeitraum für andern Zeiten glänzet. Ich habe nur jederzeit bedauert, daß solche gelehrte Gesellschaften bisher meistens in den Residenzen großer Fürsten ihren Sitz gehabt, und nicht auch wie die Musen auf dem Helikon unter den um sie[117] herumirrenden Schäfern sich niedergelassen haben. Hierdurch würde ihre Nutzbarkeit viel angenehmer worden seyn, wenn sie sich auch bemühet hätten, die Geringen im Volke und selbst die Erkenntniß; der Landleute zu erweitern, welche doch unstreitig den größten Theil der Erdbewohner ausmachen. Eine geringe Anzahl der Sterblichen weiß alles, und der größere Theil befindet sind in der größten Unwissenheit. Diesem Uebel abzuhelfen, sollte billig die hohe Landesobrigkeit darauf bedacht seyn, die Schütze der Wissenschaften, welche die Gelehrten sorgfältig gesammlet haben, gleich wie das Geld in Umlauf zu bringen, und allen und jeden davon mitzutheilen. Ich habe mir die Intendanz des gemeinen Mannes jederzeit zu Herzen gehen lassen, und mich darüber betrübt, auch auf Mittel gedacht, diesem Uebel abzuhelfen. Schön seit einigen Jahren habe ich die Gedanken gefaßt, einem großen Herrn den Vorschlag zu thun, Schulen für Erwachsene, die sich den Wissenschaften nicht eigentlich[118] gewidmet haben, anzulegen, darinne junge Leute so lange unterwiesen werden könnten, bis sie heirathen. Insonderheit sollte man sich des schönen Geschlechts besser annehmen, an jedem Orte sollte für erwachsene Mädchen eine besondere Schule angeleget werden, darinnen diese edlen Creaturen so lange einen Unterricht genössen, bis die Umstände sie nöthigten, einen eignen Haushalt zu führen. Sie sollten in der Haushaltungskunst, in der Weltweisheit, Historie, Poesie und andern dahin einschlagenden und dem weiblichen Geschlecht anständigen Künsten und Wissenschaften, theoretisch und praktisch geübt werden, damit der Aberglaube, der diesem Geschlechte unsern erleuchteten Zeiten zur Schande noch so sehr anhänget, ausgerottet würde, und sie von ihren Pflichten, davon diese Hälfte des menschlichen Geschlechts noch so seichte und unvollständige Begriffe hat, eine vollkommenere Känntniß erhielte. Ich wollte mich selbst einer so nützlichen Bemühung gern unterziehen, und mit Vergnügen als einen Lehrer[119] Lebenslang gebrauchen lassen. Doch wie der jetzige landverderbliche Krieg viele vortrefliche Projekte vereitelt hat, so ist es auch diesem ergangen. Es wird dieser herrliche Entwurf noch eine Zeitlang inter pia desideria gehören, bis er einmal in einem ruhigern Zeitpunkte, nach dem Wunsche vieler redlicher Männer, ausgeführet wird. Inzwischen gereicht es mir zu keiner geringen Freude, daß mitten unter dem Geräusche der Waffen, unter dem Schutz meines vortreflichen Gönners, die Musen, die allenthalben verscheucht werden, in unsern glücklichen Gegenden ihre Wohnung aufzuschlagen scheinen: unser Kargfeld nimmt an dem Flor der Wissenschaften und an dem Gluck unsrer Zeiten, rühmlichen Antheil. In Zukunft werden nicht allein die Residenzen der Könige mit gelehrten Gesellschaften prangen, auch unsre Gegend wird eine aufzuweisen haben. Erlauben Sie, gnädiger Herr, daß ich Ihnen an Namen der ganzen gelehrten Republick, für die Sorgfalt Dank abstatte, mit welcher Sie[120] meinen Anschlag, eine Akademie der Wissenschaften im kleinen hier aufzurichten, unterstützet haben, dergestalt, daß das, was bisher in meinen Gedanken nur als eine caussa exemplaris existiret hat, nun die Wirklichkeit erhält. Wo finde ich Worte, meine Freude über diesen großmüthigen und Grandisons Nachfolgern würdigen Entschluß auszudrücken? Fast möchte ich in die Versuchung gesetzt werden, mit einem Jüngling aus dem Terenz auszurufen: Ah Jupiter! C'est presentement que je mourrois volontiers de peur qu'une plus longue vie ne corrompe cette joye par quelque chagrin. Mein Gönner ist von diesem Vorhaben jetzt so eingenommen, daß er es je eher je lieber ausgeführt zu sehen wünschet. Seitdem Sie uns gestern verlassen haben, ist dieses sein und mein einziger Gedanke gewesen, wiewohl wenn ich dem wahren Grunde seiner Absichten nachspühre, so sind diese nicht so sehr auf die Ausbreitung der Wissenschaften gerichtet, als vornehmlich nur Dero Vorschlag auszuführen,[121] und dem Fräulein v.W. zu schmeicheln, wenn diese neue Akademie nach Ihr wird benennet werden. Dieses thut jedoch der guten Sache keinen Eintrag, und kann als ein Adiaphoron angesehen werden. Wenn Sie es erlauben meine Ahndung zu entdecken, so sehe ich aus dieser Knospe für unser werthes Vaterland sehr viel gutes hervorkeimen. Jedermann, auch die geringsten Landleute die weder lesen noch schreiben können, gleichwohl aber in manche Theile der Wissenschaften, die sie ex Praxi erlernen, ein tieferes Einsehen haben, als spekulativisch Gelehrte, werden dadurch aufgemuntert, ihr Pfund aus dem Schweißtuch hervor zu langen, ihre besondere Kenntniß in dieser und jener Sache zu offenbaren, und folglich das gemeine Beste zu befördern. Eine glückliche Aemulation wird alle Innwohner dieser Gegend antreiben, wenn sie einige aus ihrem Mittel durch besondere Ehrenzeichen belohnet sehen, die sie durch neue Entdeckungen in allerlei nützlichen Künsten und Wissenschaften sich erworben[122] haben, gleichfalls etwas neues und besonderes zu erfinden, damit sie gleicher Ehre theilhaftig werden. Die Innwohner dieser glücklichen Gegend werden also in einer Zeit von wenig Jahren klüger seyn als an irgend einem Orte, dadurch werden andere Provinzen aufmerksam gemacht, und in weniger als einem halben Jahrhunderte wird kein Canton, kein Amt, sein Rittergut, auch wohl sein Dorf anzutreffen seyn, wo nicht eine Akademie der Wissenschaften gefunden wird. Hierdurch wird eine doppelte Absicht erreicht, die unsern Zeiten Ehre macht. Die Wissenschaften gewinnen, wenn durch eine unendliche Menge voll neuen Erfahrungen, besonders in der Naturlehre und Haushaltungskunst, welche diese gelehrte Gesellschaften auf dem Lande am ersten anzustellen geschickt sind, die Lehrsätze derselben genauer und richtiger bestimmt werden; der größere Haufen der Menschen wird dadurch gewinnen, wenn durch eine Menge von gelehrten Gesellschaften die Gelehrsamkeit selbst bekannter und beliebter wird,[123] wenn mehrere dadurch gereizet werden die Wissenschaften kennen zu lernen, und sich also das Glück unsrer Zeiten zu Nutze zu machen. Doch ich lasse diese angenehmen Vorstellungen noch eine Zeitlang ruhen, mit mehrerer Begierde sehe ich den Urtheilen der Tirannen in der gelehrten Welt, der gelehrten Zeitungsverfasser, die sie von unsrer Akademie fällen werden, entgegen. Diese Leute, die nebst dem Ansehen der Censoren die Macht der Tribunen besitzen, und das gelehrte Rom in ihrer Gewalt haben, die zugleich allen Neuerungen höchst feind sind, und nach dem Beispiele der Schöppenstühle auf Akademien ihre Urtheile nach den Aussprüchen ihrer Väter abfassen, werden große Augen machen, kann sie die Nachrichten, die ich von unsrer Societät jährlich in Druck zu geben gedenke, zu Gesichte bekommen werden. Doch in fine videbitur cujus toni, fangen sie nach ihrer löblichen Gewohnheit an zu bellen, und ihre Beurtheilungen wider uns abzufassen, so sollen sie durch die That widerleget werden,[124] wenn sie diese Akademie in ihrem Flor erblicken werden: ist ihr Urtheil aber für uns, so verdienen sie die Mitglieder von uns zu seyn, und diese Ehre soll ihnen auch wiederfahren. Wenden Sie alles an, vortreflicher Mäcen, daß ein so wichtiges Project ab dieses ist, bald und glücklich zu Stande kommt. Sie haben den Sachen der ersten Schwung gegeben, bringen sie auch solche nun zur Vollkommenheit. Mein unmasgeblicher Rath dabei wäre dieser, daß noch zur Zeit ein Geheimniß daraus gemacht würde, damit ein so ehrwürdiges und ansehnliches Gestifte, besonders für den Spöttereien des Fräuleins v.S. und dem Gifte der Frau v.W. gesichert bliebe, und überhaupt weder ein tadelsüchtiger Momus noch ein verläumderischer Zoilus sein Müthgen daran kühlen könnte. Die Ausführung dieses Anschlags gleicht jetzo einer zarten Pflanze, die der geringste rauhe Wind ersticken kann, die aber wenn sie einmal beklieben ist, auch die härtesten Stürme verachtet. Eu. Gnaden übersende ich hierdurch[125] den vorläufigen Plan der zu errichtenden Societät, nebst dem Verzeichniß der hierzu erwählten Mitglieder, welche beiden Stücke ich meinem Gönner vorzulegen die Ehre haben werde, so bald sie von denenselben sind gut geheißen worden. Gedrungen durch eine Menge von Geschäften, die durch dieses neue Departement der Akademie bei nur vermehret werden, muß ich hier meinem Schreiben ein Ziel setzen, wenn ich vorher mir die Erlaubniß genommen Eu. Gnaden zu versichern, daß ich nie aufhören werde zu seyn


Dero

unterthäniger Diener

M.L.W.


* * *


Entwurf einer auf dem Hochadlichen Rittersitze Kargfeld zu errichtenden kleinen Sorbonne, oder einer gelehrten Gesellschaft, welche den Namen der Julianen-Akademie führen wird.
[126]

Obwohl das Geschlecht der Gelehrten sich heutiges Tages so vermehret hat, daß diese Republick, wenn sie nicht durch innerliche Krankheiten und Spaltungen wie das persische Reich immer getrennet und geschwächt würde, allen Potentaten höchst fruchtbar seyn würde, und dahero aus Staatsabsichten die Gränzen des gelehrten Reichs mehr eingeschränkt als ausgebreitet werden sollten: so wird man doch gewahr, daß es vielmehr noch täglich zunimmt und zahlreicher wird, indem sich immer mehr und mehr Beförderer der Gelehrsamkeit in unserm gelehrten Jahrhunderte finden, die wie die Herren Commissarien von Pensylvanien unter fremden und den Musen bisher unbekannten Himmelsstrichen neue Colonien von Gelehrten errichten, und den Altären der Pallas mehrere Verehrer verschaffen. Unter diesen Freunden der Gelehrten gehöret billig ein vorzüglicher Platz für Se. Gnaden den Herrn v.N. Erb-Lehn- und Gerichtsherrn auf Kargfeld und Dürrenstein etc. Welcher nach reiflicher[127] und genauer Ueberlegung der Sache, und nach eingeholtem Gutachten vieler verständigen Leute entschlossen ist, erstbenennten seinen Rittersitz den Musen als ein Eigenthum zu widmen, und eine Akademie der Wissenschaften im Kleinen daselbst anzulegen. Da Hochderselbe nun im Begriff ist, solche eröffnen zu lassen: so hat man nicht ermangeln wollen, solches hierdurch öffentlich bekannt zu machen, damit auswärtige Gelehrte, die Lust haben zu Mitgliedern davon aufgenommen zu werden, solche kennen lernen, und sich in Zeiten durch eine gelehrte Abhandlung, die sie an innenbenannten beständigen Secretair derselben einschicken, und dadurch zur Ehre eines Mitglieds sich melden, worauf sie nach genauer und unpartheiischer Prüfung ihrer Arbeit sich der Aufnahme gewärtigen können. Die Einrichtung dieser gelehrten Societät ist folgende.


1.) Es werden darinne keine andre als Mannspersonen zu Mitgliedern aufgenommen.[128] Denn ob man wohl anfänglich entschlossen war, auch das schöne Geschlecht an diesem Instituto Antheil nehmen zu lassen; besonders da das Frauenzimmer zu allen Künsten und Wissenschaften vorzüglich geschickt ist; auch zum Theil die Schönen in der Gelehrsamkeit bei schlechtem Unterricht es sehr weit bringen, dergestalt, daß wenn auf sie eben die Sorgfalt gewendet würde als auf unser Geschlecht, die bärtigten Gelehrten gegen die gelehrten Schönen nur arme Schächer seyn würden: so hat man doch das Frauenzimmer von dieser Ehre, in so fern gänzlich ausgeschlossen, daß sie niemals in der Akademie, wegen besorglicher Zänkereien, auch neuen Ketzereien in den Wissenschaften, wozu sie ein ganz besonderes Talent haben, wie dieses aus den Verzeichnissen ketzerischer und schwärmerischer Weiber zu ersehen, Sitz und Stimme erlangen sollen. Jedoch wird dem jedesmaligen Präsidenten und übrigen einheimischen Mitgliedern freigelassen, gelehrte und durch gemeinnützige Schriften bekannte[129] Frauenzimmer, zu Ehrenmitglieder zu erklären.


2.) Es giebt zweierlei Arten von Gelehrten, einige treiben die Wissenschaften als ein Handwerk, und nähren sich davon, welche der gemeine Mann Studirte nennt, sie selbst geben sich den Namen literati; andere erlangen eine deutliche Erkenntniß nützlicher Dinge durch die Uebung oder durch eignen Fleiß. Diese letztern werden Avtodidacti genennt, weil sie nicht zünftig sind und von den gelehrten Meistern für Pfuscher und Bönhasen angesehen werden. Ob nun gleich zugegeben wird, daß diese ehrlichen Leute in der gelehrten Republik unter die Hintersiedler gehören, so ist doch kein Grund vorhanden sie aus solcher ganz und gar zu verstoßen, und mithin wird man auch keinen angeben können, ihnen den Zutritt zu unsrer neuen Akademie zu versperren. Aus dieser Ursache werden auch Unstudirte, wenn sie nur eine gute Erkenntniß nützlicher Dinge besitzen, als nützliche Mitglieder in derselben ihren Platz finden.[130]

3.) Die zu errichtende Akademie ist nicht einer Wissenschaft allein gewidmet, folglich ist sie keine Akademie der Bildhauer, der Mahler, der Wundärzte oder der Naturlehrer: sie wird sich mit allen Wissenschaften und allen Theilen derselben beschäftigen, damit dieses aber alles in seiner Ordnung und Maße geschehe, so soll


4.) dieselbe in drei Classen abgetheilet werden. Die erste ist der höhern Philosophie gewidmet, wohin alle abgezogene Wahrheiten gehören, sie mögen in einer Wissenschaft ihren Sitz haben in welcher sie wollen. Hier sollen auch insonderheit die wichtigsten philosophischen Streitigkeiten untersucht und entschieden werden, z.B. Der zureichende Grund, die beste Welt, die vorhergeordnete Uebereinstimmung der Seele und des Leibes, die wahre Gestalt der Monaden, und des mathematischen Punctes u.s.w. Lauter Dinge, die die menschliche Glückseligkeit in der Welt auf den höchsten Gipfel zu setzen fähig[131] sind. Die zweite Classe beschäftiget sich mit der praktischen Philosophie, hauptsächlich mit der Naturlehre und Haushaltungskunst. Die dritte gehöret für die sogenannten schönen Wissenschaften. Hier werden Sprachen, Antiquitäten, Historie, Zeitrechnungen, die Wappenkunst, Geschlechtsregister, die Tonkunst und dergleichen untersucht, erörtert und in ein helleres Licht gesetzt, auch hauptsächlich die Redekunst und Dichtkunst getrieben.


5.) Nach der hergebrachten Gewohnheit gelehrter Societäten werden die Mitglieder dieser Gesellschaft in ordentliche und Ehrenmitglieder abgetheilet.


6.) Die ordentlichen Mitglieder sind verbunden zu gewissen Zeiten etwas auszuarbeiten. Diejenigen, welche nicht über drei Stunden von der akademischen Versammlung sich aufhalten, müssen, wann sie nicht Ehehaften haben, jedesmal Mittewochs um zwei Uhr Nachmittage in Person, und zwar um allen unnöthigen Auswand zu vermeiden,[132] zu Fuße erscheinen; die aber weiter von hier wohnen, sind nicht verbunden bei den ordentlichen wöchentlichen Versammlungen gegenwärtig zu seyn; jedoch müssen sie jährlich auf ihren Namens- oder Geburtstag einen schriftlichen Aufsatz einsenden, und dafür werden sie, wenn ihre Arbeit Beifall findet, eine Belohnung erhalten. Die Ehrenmitglieder werden mit aller Arbeit verschonet, jedoch damit sie für diese Freiheit auch wiederum ein Onus haben, so sind sie gehalten, realiter etwas zur Ausbreitung dieser Societät und folglich des ganzen Reichs der Gelahrheit beyzutragen. Man wird ihnen unter den Fuß geben, oder gleichsam ein stillschweigendes Gesetz auferlegen, in ihren letzten Willen diese Gesellschaft reichlich zu bedenken. Dafür haben sie aber nach ihrem Tode zuverläßig eine Lobrede zu erwarten, auch wird man, nach Beschaffenheit ihrer guten Gesinnungen, sich entschließen, ihr rühmliches Andenken jährlich zu erneuern.
[133]

7.) Nach dem vortreflichen Beispiele des Herrn Carl Grandisons Baronets, welcher in dem glücklichen Brittannien alle Bewohner seiner Herrschaften gleichsam zu Akademisten gemacht hat, indem er eine Art von einer Societät errichtet hat, worinnen anstatt magerer theoretischer Untersuchungen, practische Redner auftreten, die durch wirkliche Beweise ihres Fleißes in Erfindung und Verbesserung nützlicher Dinge, einer Belohnung sich würdig machen, hat der vortrefliche Stifter dieser neuen Akademie der Wissenschaften gleichfalls beschlossen, die Mitglieder, welche sich durch vorzügliche Proben ihrer Geschicklichkeit hervorthun, auch durch gewisse ausgesetzte Preiße oder Ehrenzeichen von andern zu unterscheiden. Es ist zwar für jetzo nicht rathsam erachtet worden, nach dem Beispiele der Neuern durch goldene und silberne Schaupfennige Preißschriften zu krönen, vielmehr wird man hierinne die Alten sich zum Muster vorstellen. Wie man bei den Olympischen Spielen die Sieger nur mit einem[134] Kranze beschenkete, der von ihnen höher als ein goldener Berg geschätzet wurde, so daß große Prinzen nach dieser Ehre strebten: so sollen auch die Belohnungen dieser neuen Akademie auf diesen Fuß gesetzet werden, dergestalt daß z.B. die Dichter mit frischen Kränzen von Eichenlaube gekrönet werden, die Redner welche sich wohl gehalten haben, sollen ein paar Handschuhe oder Perucken bekommen, die, welche in der Wirthschaft etwas besonders leisten, werden einen Kranz von Fruchtähren und Feldblumen nach ländlicher Weise erhalten, dergleichen die Schnitter nach der Erndte verfertigen. Denenjenigen, welche sich in der Composition musikalischer Stücke, überhaupt in der Tonkunst oder der Beurtheilung derselben hervor thun, soll aus einem besonders dazu gewidmeten Gesellschaftsbecher der Ehrenwein gereichet werden, u.s.w.


8.) Damit es endlich dieser Akademie auch nicht an einem Namen fehle, so soll sie aus[135] besondern und wichtigen Ursachen die Julianen Akademie benennet, auch sollen jährlich, wenn bei jetzigen schweren Zeitläuften ein Verleger zu finden ist, die Schriften und Progressen derselben durch den Druck bekannt gemacht werden. Verfertiget auf dem hochadlichen Rittersitze Kargfeld, den 29 Nov. 17 – –


L. Wilibald,

Lib. artium


* * *


Verzeichniß der großmüthigen Gönner, Musageten und Gelehrten, welche bei Eröffnung der Julianen Akademie zu Mitgliedern derselben sind aufgenommen worden.


Herr Ehrhard Rudolph v.N. Erb- Lehn- und Gerichtsherr auf Kargfeld und Dürrenstein etc. Stifter und zukünftiger Protector der Akademie.
[136]

Herr Hanns George v.W. ist wegen seiner beiwohnenden Gelehrsamkeit und hohen Meriten zum Präsidenten und Obervorsteher derselben ernennet worden.


Herr L. Wilibald wird die Stelle eines Oberältesten und Erzschreinhalters oder beständigen Secretärs versehen.


Vornehme Mitglieder.


Herr Carl Grandison Baronet, Lord L. Lord G. Herr Richard Beauchamp Baronet, Herr Reeves Esq. D. Bartlett, Herr Dobson, Pfarrer in Grandisonhall, allesammt in England. Herr Baron v.F. Herr Rittmeister v.H. nebst dessen zween Herren Brüder, allesammt in Deutschland, Herr v.S. gegenwärtig in Straßburg.


Ordentliche Mitglieder.


Die Classe der höhern Philosophie vacat. Die Classe der Naturlehre und Haushaltungskunst. Herr Peter Bornseil, ehemaliger hochadlicher Verwalter. Michael Obentraut,[137] jetziger Verwalter in Wilmershaußen. Herr Martin Schießlink, hochadlicher Förster, Herr Nicolaus Brunnhold, hochadlicher Bader, Hanns Sachs, wohlmeritirter Schultheiß zu Kargfeld.


Nota. Herr Pastor Wendelin hat die Ehre eines ordentlichen Mitgliedes verbethen, und die ganze Confraternität aufrührisch gemacht. Vermuthlich ist ein kleiner Rangstreit die Ursache hiervon: es scheinet, daß sie dem Oberältesten nicht gern nachstehen wollen, doch dieses wird sich mit der Zeit schon geben.


Die Classe der schönen Wissenschaften. Herr Wendelin, hochadlicher Gerichtsactuarius, Herr Lorenz Lobesan, Ludimagister und Schulobrister zu Kargfeld, Herr Fittich, Cantor zu Schönthal, nebst dem Cantor zu Wilmershaußen und dem Schulmeister zu Dürrenstein.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 114-138.
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