XIII. Brief.

An Herrn Lampert Wilibald von dem Herrn v.F.

[138] den 30 Nov.


Sie haben meine Erwartung nicht getäuschet. Ihr Entwurf einer Akademie ist vortreflich, ich habe ihn nicht so bald gesehen, als ich ihn auch sogleich gebilliget habe. Vergönnen Sie, werther Freund, daß ich bei allem Hasse gegen die Vorurtheile ein einziges für Sie beibehalte. Ich bin von Ihnen ganz eingenommen, doch bin ich es nicht allein, jedermann hat für Sie in unsrer ganzen Gegend ein günstiges Vorurtheil, und daher kommt es, wie ich glaube, daß alles was Sie unternehmen Beifall findet. Sie erzeigen mir viel Ehre, daß Sie Ihren Entwurf der zu errichtenden gelehrten Gesellschaft, nebst einen Verzeichnis der Mitglieder meiner Censur überlassen.[139] Wenn Sie dabey die Absicht gehabt haben, mich zum ersten Bewunderer Ihrer Unternehmungen zu machen, so habe ich Ursache Ihnen verbunden zu seyn: Wenn Sie aber von mir Verbesserungen Ihrer Einrichtung erwartet haben, so haben Sie es nicht getroffen. Ich muß Ihnen das Geständniß nochmals wiederholen, daß alles was Sie unternehmen, meinen Beifall hat. Ich würde überdieses meine Sphäre übersteigen, wenn ich Ihren Entwurf als die Arbeit eines vortreflichen Meisters der sieben freien Künste verbessern wollte, ich, der ich nicht in einer freien Kunst Meister bin. Jedoch wenn Sie durchaus mein Urtheil verlangen, so kann ich versichern, daß ich nie etwas schöneres weder aus den alten noch neuern Zeiten zu Gesichte bekommen habe. Die Einrichtung Ihrer Akademie ist vortreflich, und ich verspreche mir davon nicht nur so viel gutes als Sie Sich ahnden lassen: meine Einbildungskraft scheinet noch lebhafter zu seyn als die Ihrige. In meinen Gedanken ist[140] es so gut als ausgemacht, daß Sie in kurzer Zeit als ein zweiter Melanchthon communis doctor germaniae seyn werden. Ja ich sehe in meiner angenehmen Vorstellung Kargfeld schon in ein Athen verwandelt. Ich gehe Stundenlang in meinem Zimmer mit einer lächelnden Mine auf und nieder, wenn ich in diesen Enthusiasmus gerathe, und alsdenn wirkt meine Einbildungskraft so lebhaft, daß ich weder höre, sehe, schmecke, fühle, noch rieche, und wenn mir wie den Ritter Marino eine glühende Kohle auf dem Fuß fiele, so würde ich es eben so wenig als dieser empfinden. Ich verwandele das Schloß des Herrn v.N. in ein prächtiges Athenäum, die Versammlung der Gemeinde unter der Linde wird ein ehrwürdiger Areopagus, der Kirchthurm eine Sternwarte, das Wirthshaus eine Realschule, und es fehlet mir nichts als der Zauberstab der Circe, um allen diesen schönen Vorstellungen die Wirklichkeit zu geben. Sie haben meinen Ehrgeiz nicht wenig geschmeichelt, daß Sie mir unter dieser[141] gelehrten Gesellschaft auch einen Platz angewiesen haben. Ob ich gleich unter so vielen großen berühmten und gelehrten Männern keine bessere Figur spielen werde als der leidige Vetter Eberhard unter den Grandisonen: so werde ich mich doch aufs äußerste bestreben, weil ich der Akademie nicht durch einen berühmten und gelehrten Namen ein Ansehen machen kann, auf eine andere Art etwas zu ihrer Verherrlichung beizutragen. Sie können es glauben, daß es mir ziemlich schwer angekommen ist, bei gesunden Tagen mein Testament zu machen. Dieses stillschweigende Gesetz, das Sie den Mitgliedern der neuen Akademie auferleget haben, hat mir viele Ueberwindung gekostet, ehe ich mich stark genug fühlte es zu erfüllen. Ich will Ihnen nur meine Schwachheit gestehen, ich nahm mir mehr als einmal vor lieber diese Ehre zu entbehren, als mich mit den fürchterlichen Gedanken von Errichtung meines Testamentes zu quälen. Sie wissen, daß es gemeiniglich für ein böses Anzeichen gehalten[142] wird, wenn man seinen letzten Willen aufsetzt, und daß es vielmals eingetroffen hat, daß solche ehrliche Leute bald darauf gestorben sind. Ich habe nicht Lust mich zur Reise in die andere Welt schon fertig zu halten, und hieraus können Sie schlüßen, daß ich nichts weniger wünsche, als daß der Akademie zum Besten mein letzter Wille bald erfüllet werde. Ich habe Lust den Ausgang des Krieges zu erleben, nicht aus Verlangen ein Greiß zu werden, sondern um zu sehen, ob die gerechte Sache triumphiret. Allein verlassen Sie Sich darauf, mein Testament ist gemacht, die Akademie ist reichlich bedacht, und ich habe die Ehre dieses stillschweigende Gesetz zuerst erfüllt zu haben. Jedoch damit Niemand Anlaß bekomme sich an mir zu versündigen und auf meinen Tod zu hoffen: so will ich Ihnen nicht verhalten, daß ich ausdrücklich verordnet habe, daß alles das Gute, welches ich der Akademie zugedacht, ihr nur alsdenn zu statten kommen soll, wenn ich nach Einweihung derselben noch volle[143] dreißig Jahre, das Jahr zu zwölf Monaten, den Monat zu dreißig und ein und dreißig Tagen, den Tag zu vier und zwanzig Stunden gerechnet, werde gelebet haben. Sollte mir aber unter der Zeit etwas menschliches widerfahren, so mag die Gesellschaft sich daran begnügen, an mir einen großen Verehres ihrer Einrichtung gehabt zu haben, ohne eine Beisteuer zu erwarten.


Es hat Ihnen gefallen mir ein geheimnißvolles Stillschweigen aufzulegen, und mir zu verbiethen, jemanden etwas von dem Anschlage, das unwissende Kargfeld zu einem Sitze der Wissenschaften zu machen, das geringste zu entdecken, verzeihen Sie, werther Freund, daß ich dieses Gesetz übertreten habe. Sie haben eine Gelübde gethan, wie Sie sagen, Ihrem Gönner alle Ihre Geheimnisse anzuvertrauen, ich habe seit meiner Heirath mir gleiches auferleget, in Ansehung mein Frau. Jetzt gäbe ich den besten Gaul aus meinem Stalle darum, wenn ich diese voreilige Gelübde[144] wieder zurück nehmen könnte. Ich habe Ursache mich für den glücklichsten Ehemann zu halten, das will ich niemals leugnen: aber wenn mein Glück allein auf der Verschwiegenheit meiner Frau beruhete, so würde es sehr mäßig seyn. Ihnen muß ich es zum Lobe nachsagen, daß sie durch Ihren höchstvortrefflichen Unterricht, dafür ich Ihnen noch unendlich verbunden bin, ein sehr vollkommenes Frauenzimmer werden ist; allein die Natur der Frauenzimmer ist unveränderlich, sie sind alle, ohne Ausnahme, eben so begierig Heimlichkeiten zu erfahren, als geneigt sie auszuplaudern. Um meinem Gelübde ein Genüge zu leisten hatte ich meiner Frau Ihren Anschlag nicht so bald entdeckt, als Fräulein Amalia von allem aufs genaueste unterrichtet war. Sie wissen wie die beyden Schwestern einander lieben. Hätten Sie kein Geheimniß daraus gemacht, so würde ich ohne Schwierigkeiten die Sache haben verschweigen können. Doch machen Sie Sich keine Sorge, ich habe schon vorgebauet,[145] das Fräulein hat überdieses so viele Hochachtung für ihren ehemaligen Lehrer, daß sie ihrer muthwilligen Ader ungeachtet, die sich bei ihr mehr als bei Charlotten zu regen scheinet, alles in ihrem Herzen billiget, was sich von diesem herschreibt. Wenn sie auch gleich Ihre Entwürfe manchmal aus einem lächerlichen Gesichtspunkte betrachtet, so ist sie doch weit entfernt, sich Ihnen in der That zu widersetzen. Ich will Ihnen nach meiner Aufrichtigkeit, das merkwürdigste von ihren Urtheilen hierüber entdecken. Sie ist höchstunzufrieden, daß das schöne Geschlecht von der Ehre ausgeschlossen ist, unter die Mitglieder der Akademie aufgenommen zu werden, sie sagte, daß sie dieses von der Hochachtung, die Sie jederzeit gegen die Schönen hätten blicken lassen, ganz gewiß erwartet hätte, daß Sie aber nun gegen Sie sehr aufgebracht wäre, und alles anwenden wollte, um im Namen aller Frauenzimmer sich an Ihnen aufs nachdrücklichste zu rächen. Sie hat einen bösen Anschlag, Ihre Liebste, die Tochter des[146] Pastor Wendelins, Ihnen abspänstig zu machen, und sie meinem Gerichtshalter zuzuschanzen. Ich traue Ihr zwar diese Leichtfertigkeit nicht zu, doch sagte sie dieses mit einem so ernsthaften Ansehen, daß ich Sie warnen will auf Ihrer Huth zu seyn, damit Ihnen unser Ihren gelehrten Zerstreuungen Ihre Beute nicht entführet wird. Sie hat noch hundert andere Anschläge im Kopfe Sie zu kränken. Dächten Sie es wohl, daß sie sich hat einfallen lassen, nach Ihrem Beispiele eine Frauenzimmerakademie zu stiften? In der ersten Hitze erklärte sie zwar nach Gewohnheit der Leute, die in das innere der Wissenschaften keine Einsicht haben, die ganze Einrichtung Ihrer gelehrten Gesellschaft für pedantisch: aber hernach wurde sie anderes Sinnes und nahm sich vor, Ihnen nachzuahmen. Diese Frauenzimmerakademie soll unterdessen auf einen ganz andern Fuß gesetzt seyn, es werden keine gewisse Classen darinne Statt finden, sie glaubt, daß diese aus den Schulen oder Lotterien entlehnet sind[147] und beiden ist sie gram, den erstern, weil sie nicht ohne Entsetzen an die sträflichen Gesichter gedenken kann, die Sie ihr ehemals sollen gemacht haben, und nun die Schulen für das Element der Pedanten hält; die letztern hasset sie, weil sie jederzeit verliehrt, ob sie gleich die artigsten Devisen wählt. Den Entwurf hat sie um weniger Mühe zu der Frauenzimmerakademie verfertiget als Sie den ihrigen, und das ist auch ganz leicht zu begreifen: eine Kopie ist leichter zu verfertigen als ein Original. Sie soll nur den schönen Wissenschaften gewidmet seyn, das Fräulein will aber weder Zeitrechnung noch Kritik darunter rechnen, sondern nur solche Künste, die in den Augen der Frauenzimmer schön sind, das sind die Wissenschaften neue Moden zu erdenken, neue Brühen zu verfertigen, neue Lustbarkeiten für das Frauenzimmer zu erfinden, folglich werden in dieser Akademie Putzmacherinnen, Rätherinnen, Köchinnen und alles was sich auf innen endiget, zu Mitgliedern aufgenommen werden,[148] selbst die Zigeunerinnen, die aus der Koffeetasse prophezeihen oder aus der Hand und der Stirn gut Glück prophezeien, nicht ausgeschlossen. Ich habe ihr angerathen diese Gesellschaft eher das Rathhaus der Weiber zu nennen als eine Akademie, damit unsere Gegend, die durchaus dem gelehrten Rom ähnlich werden soll, auch darinne demselben nicht ungleich sey. Das männliche Geschlecht soll zwar nie Sitz und Stimme darinnen haben, doch sollen diejenigen von unserm Geschlecht, welche zum besten der Frauenzimmer arbeiten und in ihrer Kunst etwas besonderes leisten, zu Ehrenmitgliedern aufgenommen werden. Süße Herren, Paruckenmacher, Schneider, Schuster und alle, die durch weisen Rath oder durch die That etwas beitragen den Reiz der Schönen zu erhöhen, werden das Diploma erhalten. Ich habe mich bemühet ihr zu beweisen, daß eine solche Geschaft nicht unter die gelehrten Societäten, wie Sie eine zu errichten im Begriffe sind, gehörte, wir hielten eine scharfe Disputation[149] miteinander. Sie verlangte einen Beweis, warum diese ehrlichen Leute, für welche sie eine Akademie anlegen will, nicht eben sowohl unter die Gelehrten zu rechnen wären, als der Bader Nikolaus und der Schulmeister zu Kargfeld. Ich verschwendete alle möglichen Distinctionen, um ihr diesen Irrthum zu benehmen und ihr den Unterschied unter einem Koch, Peruckenmacher und einem Bader oder Schulmeister recht deutlich zu machen; allein ich konnte nichts ausrichten. Ich wollte lieber dreimal Doktor werden, als wieder mit einem Frauenzimmer disputiren. Ihnen ist es vermuthlich vorbehalten, das Fräulein zu überzeugen, ich habe deswegen den Streit unentschieden gelassen, um in ihrem Amte keinen Eingriff zu thun. Ich sehe dieser Entscheidung mit eben so vielen Vergnügen als der Eröffnung Ihrer Akademie entgegen. Wenn es Ihnen mit dieser so wohl gelingt als mit den Versen bei Fräulein Julgen, so sind Sie nicht mit Gelde zu[150] bezahlen. Leben Sie wohl, vortreflicher Barde, ich bin


Ihr

werther Freund

v.F.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 138-151.
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