XXIV. Brief.

An Herrn Lampert Wilibald vom Herrn G.

[296] Schönthal den 16 Dec.


Mein Herr,


Ich müßte niemals ein Soldat gewesen seyn, oder diesem Stande eben so wenig Ehre als Sie gemacht haben, wenn ich die beleidigende Art, womit Sie mir begegnen, mit Stilleschweigen übersehen wollte. Es ist Ihnen nicht genug meine Braut mir abspänstig machen zu wollen; Sie haben sich auch vorgenommen, es bei meinem Principal dahin zu bringen, daß er mich aus seinem Dienst entlassen soll. Es hat bald das Ansehen, daß Sie mit mir eben so umspringen wollen, als mit dem Verwalter[296] Bornseil, der so lange er lebet, über Sie seufzet: aber hören Sie, nehmen Sie sich vor mir in acht, an mir finden Sie Ihren Mann, der Krug geht so lange zum Wasser, bis er zerbricht. Der geringste Anschein einer Bosheit, die Sie gegen mich im Sinne haben, bricht Ihnen zuverläßig den Hals. Ich habe meine Canäle, durch welche ich alles, was Sie gegen mich schmieden, gewiß entdecke, und damit Sie überführet werden, daß dieses keine leeren Worte sind, so will ich Ihnen davon Beweise vor Augen legen. Ich weiß, daß Sie einen sehr langen Brief, der mit den verkehrtesten Einfällen angefüllet ist, an den Herrn Pfarr Wendelin geschrieben, und in solchem um meine Braut gleichfalls Anwerbung gethan haben; ich weiß auch, daß Sie noch an eben demselben Tage eine abschlägliche Antwort erhielten. Es ist mir nicht unbekannt, daß Sie hierauf, um Ihren Korb in bester Form Rechtens zu erhalten, selbst an Jungfer Hannchen geschrieben, und in diesem Briefe mich und meine Herren Amtsbrüder abscheulich herum genommen haben, daß wenn ichs genau suchen wollte, Sie als ein Pasquillant mir eine kniende Abbitte thun sollten; aber ich denke von Ihnen: heu quantum distas ab ego! Ich[297] will mich mit Ihnen in keine Weitläuftigkeiten einlassen, und meine ganze Rache, die ich diesfalls an Ihnen suche, soll darinne bestehen, daß ich Ihnen melde, daß Jungfer Hannchen den Brief nicht einmal erbrochen, noch viel weniger gelesen hat, dahero werden Sie auch vergeblich auf eine Antwort warten müssen. Wenn Sie nicht eben sowohl ein Gelehrter wären, als ich, so würde ich Sie bereits nach Verdiensten gezüchtiget haben: da wir aber in Ansehung des Standes einander gleich sind, so will ich Ihnen alle Rechte eines gelehrten Ritters zugestehen, und verspreche Ihnen als ein rechtschaffener Mann, wenn Sie etwas an mir zu suchen, Satisfaction zu geben. Doch weil ich mich nicht lange mit Ihnen auf zuhalten gedenke, so müssen unsere Händel binnen hier und 24. Stunden ausgemacht seyn. Wenn Sie in dieser Zeit sich nicht hier in Schönthal nach dem Vorschlage, den Ihnen der Herr von F. bereits gethan hat, auf dem Kampfplatze einfinden, so nehme ich dieses so an, als wenn Sie von allen vermeintlichen Anforderungen an Jungfer Hannchen abgestanden wären. Regen Sie sich hernach, so geht es Ihnen übel, und Sie können in angeschlossenem Reglement, das ich zu Ihrem Besten entworfen[298] habe, ersehen, was Sie bei dem geringsten neuen Angriff, den Sie wagen, zu erwarten haben. Wollen Sie sich aber mit mir in einen Kampf einlassen, so haben Sie die Wahl des Gewehres, welches wir brauchen wollen, Sie können den Säbel oder die Zunge wählen. Der Herr von F. hat sich erbothen, bei unserm Streit aufs gleiche zu sehen, und dem Theile, welcher überwindet, die Beute zuzusprechen. Machen Sie sich aber ja keine Hoffnung, den Sieg über mich davon zu tragen, ich verlasse mich auf beides, auf meine gerechte Sache und auf meine Kunst. Wenn Sie es nicht bereits wissen, so will ich es Ihnen hierdurch bekannt machen, daß ich die Zunge mit eben der Geschicklichkeit als die Feder oder den Degen zu regieren weiß. Ich erwarte Ihre Entschliessung, die entscheiden wird, ob ich mich ihren Freund oder Feind nennen kann.

H.


Anschluß.

Zweimal drei nützliche Regeln für den Herrn Lampert Wilibald, welche er in Puncto seines Betragens gegen mich und ein junges Frauenzimmer, die meine Freundin ist, zu beobachten, oder[299] widrigenfalls die darauf gesetzte Bestrafung ohnfehlbar zu gewarten hat.


* * *


1. Soll er weder directe noch indirecte Jungfer Hannchen mit seiner Liebe ferner behelligen, bei Verlust seines rechten Ohres.

2. Er soll mir weder bei dieser Schönen noch bei ihrem Vater, am allerwenigsten aber bei meinem hochgebietenden Herrn v.F. einen bösen Leumund machen, widrigenfalls wird man ihn nöthigen, ein Dutzend Tassen siedendheißen Koffee zu trinken, wodurch seine verleumderische Zunge dergestalt wird verbrannt werden, daß er sie niemals wieder wird mißbrauchen können.

3. Er soll sich nicht gelüsten lassen, in der Kirche immer die Augen aus sie gerichtet zu haben, und sich kühnlich unterfangen, sie durch das Fernglas zu betrachten, oder man wird ihn auf den rechten Auge blenden lassen.

4. Wenn ich, als der einzige rechtmäßige Verehrer dieses Frauenzimmers, derselben oder ihren Herrn Vater, meinem insonders hochgeehrten zukünftigen Herrn Schwiegerpapa einen Besuch abstatte, so soll er sich nicht erkühnen, heimlich unter das Fenster sich zu schleichen, um zu hören, was gesprochen wird, widrigenfalls hat er zu erwarten, daß man ihn durch ein paar handfeste Drescher wird greifen, und ohne Barmherzigkeit zu dienlicher Abkühlung seiner verliebten Hitze, mit Haut und Haar in die öffentliche Schwämme hinein werfen lassen.[300]

5. Weil er schon ehemals soll gedrohet haben, gegen denjenigen, welcher außer ihm Jungfer Hannchen lieben würde, eine so beißende Satyre abzufassen, daß der unglückliche Liebhaber sich darüber zu Tode ärgern müßte, und nun unter der Hand verlauten will, daß er dieses gefährliche Werk wirklich unter der Feder habe, welches seinen Rival, so bald er es zu Gesichte bekäme, gleich einem schädlichen Basilisken ums Leben bringen könne: so wird ihm wohlmeinend angerathen, von dieser bösen Arbeit abzustehen, auch sogleich nach Verlesung dieses, dasjenige, was er bereits daran ausgearbeitet hat, zu zerreißen und ins Feuer zu werfen, oder man wird ihn zu zwingen wissen, diese Schrift öffentlich zu widerrufen, sich ins Angesicht zu schlagen, und solche zu verschlingen.

6. Wird ihm auferlegt, das Pfarrhaus nicht nur gänzlich zu vermeiden, sondern auch keine Briefe, weder an den Herrn Pfarr Wendelin, noch dessen Tochter abgehen zu lassen. Im Uebertretungsfall sollen ihm zweimal zwey und funfzig Streiche nach türkischer Manier auf die Fußsohlen, durch meinen Zahlmeister richtig zugezählet werden. Wornach er sich zu achten und für Schaden und Nachtheil zu hüten hat.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 296-301.
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