XXV. Brief.

Der Herr v.N. an den Herrn v.F.

[301] den 18 Dec.
[301]

Werther Freund,


Sie machen mir die Zeit ziemlich lang, ehe Sie mir einmal wieder Lection geben, wie ich in meiner Liebe gute Progressen machen soll. Ich habe Ihnen, denke ich, Zeit genug gelassen Mittel und Wege ausfündig zu machen, wie ich am füglichsten zu meinem Zwecke gelangen kann, wenn Sie noch nichts erfunden haben so rühmen Sie sich nicht, daß Sie sinnreich sind. Ich glaubte nicht, daß ich das alte Jahr als ein Junggeselle beschlüssen würde, und war meiner Sache so gewiß, daß ich nicht mehr daran zweifelte. Sie wissen, daß ich meine Unternehmungen gern bald zu Stande bringe, bald dazu und späte davon das ist mein Wahlspruch. Sie haben eine große Gabe zu zaudern, es gehet mit ihren Rathschlägen und Unternehmungen so langsam als auf dem Reichstage zu. Es wäre kein Wunder, wenn ich alt und grau über meiner Freierer würde. Machen Sie, daß die Sache zu Stande kommt, oder ich thue zweierlei, Sie verliehren an mir einen Mündel, der sich Ihrer Sorgfalt in der wichtigsten Angelegenheit seines Lebens anvertrauet, und ich wende mich an den Baronet und nehme Ihn zum Führer an. Er soll mir eine Vorschrift schicken, wie ich meinen Angriff auf das Mädchen[302] das ich liebe, veranstalten soll. Ich traue ihm zwar bei unsern vaterländischen Schönen nicht viel Erfahrung oder Glücke zu: ich weiß aber doch gewiß, daß ich bei seinem Rache besser fahren werde als bei dem Ihrigen. Nach dem Sprichwort heißt es zwar, Arzt hilf dir selber, es wäre wohl am besten, daß ich bei mir selbst Rath nähme, denn zu den Magister Lampert habe ich, seitdem ihn die Tochter meines Pfarrers hat durch den Korb fallen lassen, nicht das geringste Vertrauen mehr: allein ich fürchte, daß ich auch nicht die rechte Methode treffen möchte, mich bei dem Mädchen einzuschmeicheln. Wenn Sie mir versprechen wollen, künftig eifriger Hand an das Werk zu legen, so will ich Ihr Kundmann bleiben und Ihrem Rath so genau befolgen, als wenn ich ihn von den sieben Weisen aus Griechenland bekommen hätte.

Ist es denn wahr, was mir neulich Fräulein Amalia sagte, daß der Major Fräulein Julgen eine prächtige Kutsche geschenket hat? Eine Windkutsche wird es wohl seyn, oder wenn etwas daran ist, so wird es wohl nicht viel mehr als eine alte Karrethe seyn, die er einen Marquetender abgekauft hat: Die Officiers sind sonst nicht gewohnt so gar viel zu verschenken, demantne Ohrengehänge und ein Staatswagen[303] sind schon Geschenke die etwas sagen wollen, ich weiß nicht was ich davon glauben soll. Fräulein Amalia, das lose Mädchen, schlug mir vor, ich sollte Julgen ein paar Pferde vor die Kutsche verehren, diese würden solche hinziehen wohin ich sie haben wollte, ein feiner Rath! Jetzt sind die Zeiten darnach, daß man ein Gespanne Pferde verschenken kann, das ist kein Fürst zu thun im Stande. Sie mag sehen, wo sie Pferde bekommt, von mir hat sie keine zu hoffen. Wir haben hier einen sehr künstlichen Korbmacher, der sagte mir vor einigen Tagen, er wollte so natürlich eine Portechaise flechten, wie man sich in der Stadt zu haben pflegt, was meinen Sie, wenn ich eine machen ließ, ich wollte sie hübsch mahlen und vergulden auch sein ausschlagen, und sie dem Mädchen nebst ein paar Dreschern, die eher zu haben sind als ein paar Pferde, auf Weinachten bescheren lassen. Sonntags, da diese Kerls ohnedem das Brodt nicht verdienen, das sie verzehren, sollen sie allezeit nach Wilmershaußen gehen und Fräulein Julgen in die Kirche und auch spatzieren tragen, alsdenn gehen sie Montags wieder bei mir in die Arbeit. Wenn dieser Vorschlag Ihren Beifall findet, so soll er bald ausgeführet werden.

Sagen Sie mir doch was ich mit meinem Pfarrer anfange, er ist ein grundböser Mann.[304] Wenn er mich in den Bann thun könnte, so machte er sich kein Gewissen daraus. Lampert hat ihn bei mir immer die Stange gehalten und mich besänftiget, wenn ich ihm eins habe versetzen wollen: aber jetzt da er ihn nicht mehr vertritt, bin ich mehr als jemals gegen ihn aufgebracht. Einige wollen sagen, er hätte, weil er mir nichts anhaben kann, und doch gleichwohl an mir reiben will, eiserne Nägel in die Absätze schlagen lassen, und marschirte beständig über den Grabstein eines meiner Ahnen, der in der Kirche liegt, mit so nachdrücklichen Schritten hinweg, daß dadurch das Gesicht dieses meines Vorfahren, der, wie Sie wissen, in Stein ausgehauen ist, sehr wäre beschädiget worden. Ich habe, um hinter die Wahrheit zu kommen, ihm heute einen Schuh abfordern lassen, solchen in Augenschein zu nehmen: er hat mir aber diesen verweigert. Ich kann daraus nichts anders schlüßen, als daß er sich nicht sicher weiß, und das corpus delicti nicht aushändigen will, weil dadurch die Bosheit an den Tag kommen würde. Er soll mir aber den Possen nicht umsonst gespielet haben, ich will ihn verklagen und ihn so hetzen, daß er bald zu Kreuze kriechen soll. Lampert meint, er käme darüber vom Dienste und das wäre ihm auch gar recht. Lampert, der arme Teufel[305] ist ganz melancholisch, daß ihm seine Liebste aus dem Garne gegangen ist, unterdessen will er es mit Ihrem Gerichtshalter weder auf den Hieb noch auf eine Disputation angehen, um ihm seine Beute strittig zu machen. Sein Unglück hat ihn seit etlichen Tagen so schmeidig gemacht, daß man ihn wie einen Polzen durch ein Blasrohr schießen könnte, da er vorhero in keinem Schlote Raum gehabt hätte. Wenn Sie Ihren Gerichtshalter dahin bringen könnten, daß er ihn sein Mädchen wieder abträte, so wollte ich den alten Wendelin verzeihen. Ich erwarte auf diesen Brief von Ihnen bald eine Antwort und bin


Ihr

aufrichtiger Freund

v.N.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 301-306.
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