V. Brief.

Der Herr v.N. an den Herrn v.F.

[47] Kargfeld, den 23 Nov.


Ich habe Ihren Brief wohl durchstudiret, und daraus ersehen, daß Sie eben kein schlechtes Geschick haben, eine Sache, der Sie Sich mit Ernste unterziehen,[47] nach Wunsch zu Stande zu bringen. Es ist mir lieb, daß Sie Sich meine Freierei mit Ernst lassen angelegen seyn, und ich kann Ihnen nicht verhalten, daß Sie Sich dadurch bei mir in solchen Credit gesetzt haben, als Sir Beauchamp bei dem Baronet, ich glaube sogar, Sie werden diesen selbst abtreiben, wenn unser Vorhaben gut ausschlägt. Hier und da haben Sie zwar in Ihrem Briefe etwas eingestreuet, dadurch Sie eben keinen Dank verdienen, zum Exempel wenn Sie sagen, daß ich ein schlimmes Spiel in Händen hätte, daß ein andrer sich für verlohren schätzen würde, daß man seinem Mädchen Geschenke machen müsse, die sich auf fünfzig Thaler belaufen. Man findet heutiges Tages das Silbergeld nicht auf den Gassen, wie unter Salomons Regierung. Es sind schwere Zeiten, und das Geld liegt an Ketten. Herr Grandison hat zwar seiner Braut große Geschenke gemacht, aber das war ein anderer Umstand, damals war es Friede und wohlfeile Zeit, und Herr Grandison war[48] auch sicher, daß ihm seine Braut nicht wieder umkehren würde; ich hingegen stehe in Gefahr, Braut und Maalschatz zu verliehren. Wenn ich erstlich das Wort von ihr habe, wohlverstanden, ihr ungezwungenes dürres Jawort, hernach soll sie einen Diamantschmuck bekommen, dessen keine Fürstin sich schämen dürfte; aber auf gerathewohl verdistillire ich keinen Heller an ihr. Glauben Sie nicht, daß mich der Geiz zurück hält, Ihrer Methode zu folgen, und durch Bestechungen den Anfang zu machen, das Herz des Fräuleins zu gewinnen: ich will, wie Herr Grandison, wegen der Person und nicht wegen der Geschenke geliebt seyn, dabei hat es sein Verbleiben. Mit der eigensinnigen Frau v.W. will ich nichts mehr zu thun haben, ich glaubte, wenn ich sie und ihren Schatz auf der Seite hätte, so wären alle Aussenwerke und Defensen der Vestung in einer Gewalt, wenn ich alsdenn hier meine Batterien anlegte; so würde ich dadurch die Citadelle selbst zu commandiren im Stande seyn, um solche zur baldigen[49] Uebergabe zu zwingen. Allein seitdem ich aus ihrer Gunst delogiret bin, so habe ich, wie ich sehe, das ganze occupirte Terrain wieder verlohren, und er als ein baufälliges Hornwerk, das noch allein in meiner Gewalt ist, verspricht mir nicht den geringsten Vortheil, wenn ich von dieser Seite die Attaque wieder formiren wollte. Ich habe die Belagerung deswegen bereits meine Bloquade verwandelt, doch habe ich immer ein wachsames Auge in meinem Lager, und hoffe noch par surprise davon Meister zu werden. Das Spiel ist so schlimm nicht, als Sie vielleicht denken, über lang oder kurz werde ich doch reußiren, besonders wenn Sie ein getreuer Alliirter von mir bleiben.


Sie erweisen mir einen großen Gefallen, daß Sie mich an den Geburtstag des Fräuleins erinnern, ich werde nicht unterlassen, sie durch einen Glückwunsch anzubinden. Lampert hat sich seit gestern in seine Stube eingeriegelt und geschworen, wie die Churfürsten,[50] wenn sie einen neuen Kaiser machen, nicht ehev einen Bissen zu essen, bis er das Werk zu Stande gebracht; doch den Trunk hat er sich erlaubt, und einige Flaschen Wein mit in seine Studierstube verriegelt, denen er vermuthlich fleißig zusprechen wird. Wegen des Geschenkes habe ich mich schon erkläret, und also muß ich, weil Sie es für gut finden, eine Staatskrankheit annehmen, ob ich gleich jetzo so gesund bin als ein Hecht. Das ist eine verdammte Mode, daß man die Mädchen, die man liebt, auf ihren Geburtstag anbinden muß. Werweiß, ob sie nicht gar zuletzt einen heiligen Christ verlangen. Ich möchte Fräulein Julgen nicht in die Messe begleiten, vermuthlich würde es da ohne Unkosten auch nicht abgehen. Nein, ich liebe nach englischen Geschmack, da liebt man gewiß und ohne großen Aufwand: denn was man der Braut schenkt, wenn diese Sache einmal ins Reine gebracht ist, das bekommt man mit der Frau wieder, und ist deswegen für keinen Aufwand zu rechnen.[51]

Lampert will sich durchaus nicht entschliessen, seiner ersten Liebste untreu zu werden, er will lieber meine Gunst verlieren, als sein Mädchen, und hat sich sogar verlauten lassen, daß wenn nochmals mit diesem verwünschten Vorschlag an ihn gesetzt würde, so wollte er bei Nacht und Nebel einmal fortgehen, und niemals wieder zum Vorschein kommen. Ich muß deswegen ein Bisgen laviren, er ist mir gleichwohl unentbehrlich: so einen Hausvogt findet man nicht alle Tage. Indessen will ich mein Heil noch einmal an ihm versuchen, die Gelehrten sind in puncto Sexti nicht eben so gar ehrenveste, und treiben es oftmals ärger als die Edelleute. Ich denke, man kann ja wohl von zwei Bäumen auf einmal Birnen schütteln. Wenn das Kammermädchen nur nicht eben so garstig wäre, als ihre Gebietherin schön ist, so würde der Magister meinen Befehl eher respectiren. Er hat mir indessen versprochen, es auf andere Weise dahin zu bringen, daß sie in mein Horn bläßt, das mag er immer thun, wenn alle Stricke reissen[52] sollten, so bleibt er dennoch das Stichblatt. Sorgen Sie nur dafür, daß der Geburtstag recht hoch gefeiert wird, und geben Sie auf alles genau Achtung, damit Sie auf Erfordern mir einen getreuen Bericht abstatten können. Alleweile kommt der Magister mit dem Briefe, der in meinem Namen an das Fräulein abgefaßt hat, und welcher das Gedichte begleiten soll. Wenn beydes wohl gerathen ist, so soll er den Filialsstock zur Verehrung bekommen, welchen ich ihm längstens zugedacht habe, der vergangenen Sommer dem Metzger ist abgenommen worden, der sein Vieh über meine Wiesen hat treiben lassen. Ich bin einmal wie allemal.


Ihr

gehorsamer Diener

v.N.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band3, Eisenach 1762, S. 47-53.
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